Irgendwie stimmt’s doch: Der Mensch ist des Menschen Wolf

In meinem dogmenkritischen Buch habe ich das alte Dogma »Homo homini lupus« des britischen Philosophen Thomas Hobbes kritisiert: Denn Hobbes hat offensichtlich innerartliche Aggression (Mensch tötet Mensch) mit zwischenartlichem Jagdverhalten (Wolf tötet Mensch, Mensch tötet Hasen) verwechselt.1 Der usamische Karikaturist Chris Browne hat Hobbes nun jedoch bestätigt – wenn auch ganz anders als Hobbes und seine Nachfolger es verstanden wissen wollten.

Erstes Bild: Hägar der Schreckliche steht an der Spitze seiner Mannen, schwenkt sein Schwert und ruft: „Männer, in der Schlacht heute geht es um Leben oder Tod! Nun brauchen wir den Instinkt eines wilden Tieres!“
Zweites Bild: Von den Mannen sind nur noch Staubwolken zu sehen. Glückspilz und Hägar schauen sich erstaunt um. Glückspilz sagt: „Gerannt sind sie wie Geparden!“

Wie kommt es wohl, dass der wichtigste Instinkt wilder Tiere, der Fluchtinstinkt, nie gemeint ist, wenn Kriegstreiber versuchen, an die angebliche Bestie unter dem Lack der Zivilisation zu appellieren? Wenn Soldaten wirklich Wölfe wären, wären sie scheu und würden vor jedem Schlachtfeld schleunigst das Weite suchen. Eben das, der natürliche Fluchtinstinkt, ist ja der „innere Schweinehund“, den die Schleifer dieser Welt, die verfluchten Himmelstoß, Revetcki und Hartman2,  ihren Rekruten austreiben müssen, um sie zu Mordrobotern machen zu können.

So lange das aber nicht geschehen ist, stimmt der Spruch mit den Wölfen doch ein wenig: Der Mensch ist des gefährlichen Menschen Wolf. Menschen neigen dazu, vor gefährlichen Mitmenschen und ihren knallenden, blitzenden und rauchenden Waffen wegzulaufen, genau wie Wölfe vor gefährlichen Menschen und ihren Waffen weglaufen.

Wölfe kooperieren gut

Was auch dazu passt: Im Oktober 2017 meldete wissenschaft.de, dass Wölfe offenbar besser kooperieren können als Haushunde. In Experimenten waren sie schnell in der Lage, zu zweit an einem Seil zu ziehen, um gemeinsam an das ausgesetzte Futter zu kommen. Wölfe führen also keineswegs den Krieg aller gegen alle, von dem Thomas Hobbes fabulierte. Da Menschen noch besser kooperieren als Wölfe, können wir davon ausgehen, dass auch sie „von Natur aus“ keinen Krieg aller gegen alle führen. (Aber das ist doch nur eine Metapher? Eben, es ist eine Metapher. Und Metaphern müssen auf der wörtlichen, der sinnlichen Ebene stimmen. Nur dann haben sie einen Erklärungswert für die übertragene Ebene. Dazu mein Texter-Tipp auf korfftext.de.)

1) Genau genommen hat Hobbes den Spruch auf der Verhalten der Staaten untereinander bezogen und nicht auf das Verhalten der Menschen innerhalb eines Staates. Für die Menschheit vor Entstehung der Staaten nahm er allerdings an anderer Stelle etwas ganz ähnliches an, nämlich dass sie einen „Krieg aller gegen alle“ (bellum omnium contra omnes) geführt hätten.

2) Feldwebel Himmelstoß ist der Rekrutenschinder in Erich Maria Remarques Roman »Im Westen nichts Neues« (1929), der im I. Weltkrieg spielt. Feldwebel Revetcki ist der Rekrutenschinder in Dieter Nolls Roman »Die Abenteuer des Werner Holt« (1960), der im II. Weltkrieg spielt. Sergeant Hartman ist der Rekrutenschinder in Stanley Kubricks Spielfilm »Full Metal Jacket« (1987), der im Vietnamkrieg spielt.

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.