Cesare Viazzi Der Walkürenritt

Heute im Programm: Wagner für Warlords

Im Juni 2023 wagte Alexander Prigo­schin, Komman­dant der russi­schen Söldner­truppe »Wagner«, einen Putsch­ver­such gegen Präsi­dent Putin und Kriegs­mi­nister Schoigu, denen er Versagen bei der Planung des Krieges gegen die Ukraine vorwarf. Das WDR3-Mosaik spielte am 27. Juni aus diesem Anlass den Pilger­chor aus Richard Wagners Oper »Tannhäuser«, und Moderator Michael Struck-Schloen wunderte sich über den Namen »Wagner«. Ja, damit sei tatsäch­lich der Kompo­nist Wagner gemeint. Aber was, um Himmels willen, habe denn Wagner und seine Musik mit dem Krieg zu tun? Ich erlaube mir hier zu antworten.

Bild: Cesare Viazzi: La caval­cata delle Valchirie (Der Ritt der Walküren) – Wikimedia Commons

Ein Musik­wis­sen­schaftler, so Struck-Schloen, habe dazu gesagt, nur der berühmte »Walkü­ren­ritt« aus der Oper »Die Walküre« sei als Kriegs­musik Wagners deutbar. Ansonsten sei eine solche Namens­ge­bung ein infamer Missbrauch des berühmten Namens. Übrigens gebe es auf ukrai­ni­scher Seite eine Söldner­truppe namens »Mozart«.

Was Wagner mit Krieg zu tun hat?

Darf ich den unschuldig gaukelnden Wagne­ria­nern ein wenig auf die Sprünge helfen? Zum Beispiel das Duell zwischen Hunding und Siegmund, das dem Walkü­ren­ritt unmit­telbar voraus­geht. Der Kult um das heilige Schwert Notung. Siegmunds Mordver­such an seiner schla­fenden Schwester und Geliebten Sieglinde: „…nimm sie, Notung, neidi­scher Stahl!“ Hagens von Neid und Staats­räson getrie­benes Mordkom­plott gegen Siegfried. Krimhilds Rache­feldzug gegen Hagen und seine Getreuen. Die ganze Nibelun­gen­ge­schichte ist eine Kette aus Herrsch­sucht, Verrat, Rache­durst und blinder Wut – also den wesent­li­chen Ingre­di­en­zien sämtli­cher Kriege. Wagner füllte damit seine musika­li­sche Gulasch­ka­none, und die Firma Wagner verab­reicht dieses Opium alljähr­lich der auf Holz hockenden Oberschicht.

Wenn Prigo­schin, der böse Russe, sich auf Wagner beruft, ist das infam, heißt es. Als der Holly­wood-Regis­seur Francis Ford Coppola einen ameri­ka­ni­schen Hubschrau­ber­an­griff auf ein vietna­me­si­sches Dorf mit Wagners Walkü­ren­ritt orches­trierte – war das auch infam? Nein, denn Coppola wollte mit der Szene die Infamie und Hybris eines US-Army-Offiziers bloßstellen. Und doch gruben sich die tönenden Hubschrauber wie eine Gebrauchs­an­wei­sung für insze­nierte Massaker ins Gedächtnis der Connais­seure ein. Was das mit Wagners Walküren zu tun hat? Viel, denn sie weisen den Weg zu jenem mit Wunsch­mäd­chen garnierten Wunschort, den die mörde­ri­schen Wellen­reiter dieser Welt erstreben.

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

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