Stefan Austs Gewaltkultproblem und seine aktuellen Folgen

Der konservative Journalist und »Welt«-Herausgeber Stefan Aust lieferte im Februar 2024 eine historisch anmutende Abrechnung mit dem angeblich grün träumenden »Ampeldeutschland« ab. Der Ökonom und Entwicklungsexperte Helmut Federmann schickte sie mir zu. Der durch und durch konservativ und miltaristisch gestrickten Analyse möchte ich bei fast jedem Satz des bekannten Publizisten widersprechen. Vier Beispiele aus seiner Einleitung:

Stefan Austs Gewaltkultproblem und seine aktuellen Folgen weiterlesen

Gibt es einen Wachstumszwang „im Kapitalismus“?

Die Publizistin Annette Schlemm sagte in einer Diskussion in ihrem »Philosophenstübchen«: Der Kapitalismus habe vierzig Jahre Zeit gehabt, einen Weg aus dem Ressourcen- und Klimadilemma zu finden, und habe ihn nicht gefunden. Ist das nicht merkwürdig formuliert? Das klingt so, als wäre »der Kapitalismus« eine Regierung, die wir gewählt haben, oder ein Dienstleister, den wir beauftragt haben und bezahlen. Das klingt so, als gäbe es einen Hohen Rat des Kapitals, der regelmäßig über diese Frage berät und entscheidet. Den gibt es aber nicht. Dazu kommen weitere Einwände: Unternehmen und ganze Branchen können auch schrumpfen, ohne zusammenzubrechen. Die biologische Metapher ist falsch. Selbst Investoren können mit Verlusten leben und haben zuweilen andere Motive als den platten Gewinn. (Foto: Korff)

Gibt es einen Wachstumszwang „im Kapitalismus“? weiterlesen

Wir wissen es nicht? Doch, oft wissen wir genug, um eingreifen zu können

Pascal Vasselin und Franck Cuveillier stellten 2020 im Doku­men­tar­film »La fabrique de l’ignorance« Forschungsergebnisse der Agnotologie vor, die die gezielte Produktion von Nichtwissen, die Vernebelung wissenschaftlicher Erkenntnisse durch Industrielobbys und konservative Denkfabriken untersucht. In zahlreichen Interviews mit Psychologen, Wissenschaftshistorikern u.a. erleben wir die Kampagne der Chemiekonzerne gegen die Entomologie (Thema Neonikotinoide und Bienensterben), die Kampagne der Tabakindu­strie gegen die Krebsforschung, die Kampagne von Physikern gegen die Klimaforschung (darunter den »Heidelberger Appell« von 1992), die Kampagne der Plastikindustrie und der Toxikologen gegen Epidemiologen nach, die die Wirkung von endokrinen Disruptoren wie dem Weichmacher Bisphenyl A erforscht haben.

Wir wissen es nicht? Doch, oft wissen wir genug, um eingreifen zu können weiterlesen

Warum eine Versöhnung mit Trumpisten nicht möglich sein wird

Viele Beobachter fragen sich bang, ob Joe Biden als US-Präsident das heillos zerstrittene Land wieder wird einigen können. Geschickt geht er bereits auf die Republikaner zu, die sich von dem Rüpel abgesetzt haben. Es ist immer richtig, die gefährlichsten Gegner zu isolieren. Doch der Versuch, sich mit dem harten Kern der Trumpisten zu versöhnen, mit jenen 45 % der -ump-Wähler, die den Sturm auf das Kapitol befürworten, ist wohl zum Scheitern verurteilt und wäre auch politisch falsch. Aus drei Gründen – oder soll ich sie nach dem Vorbild von Konfuzius und Sokrates besser als Fragen formulieren? Mal ausprobieren…

Warum eine Versöhnung mit Trumpisten nicht möglich sein wird weiterlesen

Der konservative Katechismus des Technokraten Bolz

Der konservative Medienwissenschaftler Norbert Bolz agitierte in seinem Buch »Die Avantgarde der Angst« gegen die apokalyp­tische Religion der Klimaschützer. Der »Freitag« veranstaltete ein Streitgespräch zwischen Bolz und dem Politologen Albrecht von Lucke (3. 12. 2020). Der Fridays-for-Future-Bewegung, speziell Luisa Neubauer warf Bolz vor, als apokalyptische Sekte aufzutreten. Er selbst trat für die betonierte Religion der Naturbeherrschung ein.

Der konservative Katechismus des Technokraten Bolz weiterlesen

Flughäfen sind Jobmaschinen? Von wegen!

Flughäfen – oder vielmehr Airports – sind die Marsfelder und Circi Maximi der Betonzeit; die kritische Leserin verzeihe mir den affektierten, aber korrekten lateinischen Plural von Circus Maximus. Während Wichtigtuer und Touristen auf dem Corso des Terminals Schau laufen, treten glitzernde Flugdrachen auf der endlos weiten Ebene der Start- und Landebahnen zu rituellen Turnieren an. Die Destinationen auf der großen Tafel beschwören, wie einst die Chöre altgriechischer Theater, die Vision herauf, als sei die gesamte bekannte und unbekannte Welt an diesem heiligen Ort gegenwärtig.

Was rede ich da? Flughäfen sind natürlich das Ergebnis der reinen ökonomischen Vernunft. Das behauptet jedenfalls der Kölner Verkehrswissenschaftler Herbert Baum in zahlreichen Gutachten, die immer wieder zitiert werden, um den weiteren Ausbau von Flughäfen zu rechtfertigen.

Flughäfen sind Jobmaschinen? Von wegen! weiterlesen

„Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind.“ Ei, das ist vorbei.

Die beliebte Redensart ertönte jahrzehntelang gebetsmühlenartig immer dann, wenn irgendwo ein neuer Götzendienst der deutschen Beschleunigungskirche eröffnet wurde – etwa zur Internationalen Automobil-Ausstellung 2011. Gepaart oft mit Auspuffdogma Nummer 2: „Jeder siebte deutsche Arbeitsplatz hängt von der Autoindustrie ab.“ In neuerer Zeit liest man aber auch Entgegnungen, etwa hier bei auto.de vom 30.9.2017, denn Marktstudien sprechen schon lange eine andere Sprache.

„Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind.“ Ei, das ist vorbei. weiterlesen

Öko ist nur etwas für Reiche? Ganz im Gegenteil.

Treffen sich zwei Hummerfahrer an der Tankstelle. Sagt der eine: „Hast du schon gehört? Der Schulze hat seine Karre verkauft und fährt jetzt mit dem Fahrrad zur Arbeit.“ Sagt der andere: „Hat der im Lotto gewonnen?“ „Wieso?“ „Na, es heißt doch: Öko ist nur für Reiche.“

Öko ist nur etwas für Reiche? Ganz im Gegenteil. weiterlesen

„Die Grünen streben eine Ökodiktatur an.“ Wer soll das glauben?

Oder, eine Nummer kleiner: „Die Ökos wollen uns bevormunden“ oder „Die Grünen sind eine Verbotspartei“. Letzteres behauptete Focus.de zuletzt am 24.10.2019. Als Beweis schlechthin für diese steile These gilt seit dem Sommerloch 2013 der ominöse „Veggieday“, den ein CDU-Politiker, die Frankfurter Allgemeine und die Bild-Zeitung damals im Wahlprogramm der Grünen als Forderung entdeckten. Um ein Signal gegen den enormen Fleischkonsum der Deutschen zu setzen, sollten öffentliche Kantinen nach dem damaligen Willen der Grünen Bundesdelegierten nur vegetarische Gerichte anbieten. Journalisten und politische Gegner fertigten daraus den Popanz eines Versuchs, allen Deutschen vorzuschreiben, was sie zu essen hätten.

„Die Grünen streben eine Ökodiktatur an.“ Wer soll das glauben? weiterlesen