Richard Häusler, Leiter der Berliner Beratungsagentur Stratum Consult, agitierte im Mai und Juli 2023 gegen positiv formulierte Nachhaltigkeitsziele, also das UN-Programm eines »guten Lebens für alle«. Er verwies darauf, dass Menschen sehr unterschiedliche positive Ziele verfolgen, und fragte: „Wie kommen wir also dazu, unter dem Ethos-Label „Nachhaltigkeit“ ein einheitliches Lebensglück und ‑ziel für alle zu postulieren?“ Während positive Ziele kaum konsensfähig seien, seien wir uns in der Regel schnell darüber einig, welche negativen Erlebnisse und Gefahren wir vermeiden wollen. Dieser Ansatz prägt auch viele Kunstwerke. Ich stimme seiner Schlussfolgerung zu, nicht jedoch seiner anthropologischen Herleitung, und biete eine sozialkulturelle Alternative an.
Ist Negatives konsensfähiger als Positives? weiterlesenKategorie: Menschen
Was Elon Musk gegen die Künstliche Intelligenz hat
Ende März 2023 veröffentlichte das Future of Life Institute in Narberth, Pennsylvania (USA), einen offenen Brief, der die KI-Labore wegen drohender Gefahren zu einem sechsmonatigen Entwicklungsmoratorium und die Gesetzgeber zu regulierenden Gesetzen aufrief. Zu den Erstunterzeichnern gehörten Tesla- und Twitter-Chef Elon Musk, der Apple-Mitbegründer Steven Wozniak und der Skype-Gründer Jaan Tallinn. Der Aufruf brachte einmal mehr ohne Indizien oder Begründung die KI in Zusammenhang mit Propaganda und Lügen („Should we let machines flood our information channels with propaganda and untruth?“) und stellte weitere steile Thesen auf wie die, dass KI uns Menschen überall ersetzen und die Zivilisation wegen KI außer Kontrolle geraten könne. Alles rhetorisch so gesetzt, als seien die KI-Entwickler, also Leute von OpenAI, Microsoft und Google, Menschen, die das alles wollen oder billigend oder fahrlässig in Kauf nehmen, und als seien die Unterzeichner die Leute, die das nicht wollen.
Was Elon Musk gegen die Künstliche Intelligenz hat weiterlesenEine Welt ohne Religion?
Naturwissenschaftlerinnen und Techniker werfen uns Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen gerne vor, wir schnitzten uns eine Welt, wie sie uns gefällt. Doch wenn es um Religion geht, tun jene praktisch genau das, was sie uns vorwerfen: Sie konstruieren eine Kultur ohne Religion, eine Stadt ohne Kirchen, also eine Art Dreieck ohne Winkel. Übrigens wäre eine Welt ohne Religion vermutlich eine Welt ohne Kunst.
Eine Welt ohne Religion? weiterlesenWer leidet, will daran was ändern.
Das ist mein Antidogma zum Duckmäuserdogma “Die Menschen wollen, dass sich nichts ändert.” Dieses wird oft bemüht, um das sog. NIMBY-Phänomen zu erklären. Doch das wird gerne allzusehr verallgemeinert.
Wer leidet, will daran was ändern. weiterlesenDer Unfug vom binären Denken
Im WDR-Funkhausgespräch stritten am 12. November 2020 der Politologe Karl-Rudolf Korte, die Jungsozialistin Jessica Rosenthal und die Klimaaktivistin Ronja Weil über die »Krise der Parteien« und die Frage, ob eine »Demokratie von unten« an ihre Stelle treten kann. Korte sagte in der Debatte einige kluge Dinge, aber als es darum ging, warum manche Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen, etwa zwischen Coronabesorgten und Coronaignoranten, oft eskalieren, glitt er in ein Dünkeldogma ab: Er führte solche Eskalationen auf die »binäre Logik« der Computer und das damit einhergehende »binäre Denken« der Internetbenutzer zurück.
Der Unfug vom binären Denken weiterlesenEine Herrschaft der Dummen gibt es nicht
Seit dem späten 19. Jahrhundert warnen Sozialdarwinisten in Deutschland vor einer zunehmenden Verdummung der Menschen und einer Machtübernahme der Dummen. Grund sei die höhere Vermehrungsrate der Dummen und die niedrigere der Intelligenten. In der Regel paarte sich diese kulturpessimistische Klage mit der Klage über die Demokratie: Die Demokratie führe zu einer Herrschaft der Dummen (Ochlokratie) und gefährde deshalb den Fortbestand der Kultur. Sie müsse durch eine Oligarchie (Herrschaft der Wenigen) oder Aristokratie (Herrschaft der Besten) ersetzt werden, sagt diejenige politische Strömung, die um 1800 aus der Rechtfertigung der Vorrechte des Adels entstanden ist. Diese beiden Theorien sind durch den Verlauf der Geschichte der letzten 150 Jahre hinreichend widerlegt, um als falsch gelten zu können.
Eine Herrschaft der Dummen gibt es nicht weiterlesen20 Fragen der „Coronakritiker“, hier beantwortet
Unter dem Titel „Fragenkatalog von Fragen, die die Medien uns zur Zeit nicht beantworten“ lassen sog. Coronakritiker seit Ende August 2020 Fragen kursieren und fordern ihre Anhängerinnen auf, die angeblich unbeantworteten Fragen weiterzuleiten. Ich verderbe ihnen das Spielchen ein bisschen, indem ich die ersten 20 davon hier beantworte – und zwar unter Rückgriff auf diverse Medienberichte. Die Fragen 17 und 18 habe ich nicht inhaltlich beantwortet. Alle Fragen fangen mit dem Vorsatz “Wie kann es sein” an.
20 Fragen der „Coronakritiker“, hier beantwortet weiterlesenWenn die Freundin sich den Coronaleugnern anschließt
Seit Ende April 2020 decken mich Bekannte, auch Freundinnen, regelmäßig mit den weitergeleiteten Meinungen angeblicher Freiheitskämpfer ein, die in der Corona-Pandemie eine lügnerische Verschwörung von aktuellen oder zukünftigen Diktatoren wittern. Anfangs machte ich mir die Mühe, diese Meinungen zur Kenntnis zu nehmen und ihnen Stück für Stück zu widersprechen. Dann merkte ich: Das ist uferlos und bringt mich von meinen eigenen Themen ab. Was also tun?
Wenn die Freundin sich den Coronaleugnern anschließt weiterlesenMit Beethoven gegen die Folter
Künstler können die Welt nicht verändern? Das kann man anders sehen. Der britische Evolutionspsychologe Steven Pinker ging in dem 2011 erschienenen Mammutwerk »Gewalt« der Frage nach, warum sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Europa eine Kultur des Mitleids, der Empathie ausbreitete (damals Empfindsamkeit genannt) und dafür sorgte, dass die Folter stark eingeschränkt wurde, dass die Todesstrafe auf wenige Verbrechen beschränkt wurde, …
Foto: Gefangenenchor zur Première einer Aufführung der Oper Fidelio am 28. Juni 2014 im Gefängnishof der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus. Von Nurfoto – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33655014
Weihnachtliches Lob der Warenwelt
Allgegenwärtig ist die Klage über die Kommerzialisierung der Weihnachtszeit. »Schrecklich, wie kommerziell es zu Weihnachten zugeht!«, rief am 19. Dezember 2019 ein Radiomoderator in WDR 3 aus. »Da genügt schon ein Blick auf die Wunschzettel der Kinder: Sie wollen ein Eifon 13 und Gutschilatschen und ein Bättmänset von Kego.« Als Alternative propagierte er im nächsten Satz ein Weihnachtsritual, bei dem die Kinder mit hölzernen Kegeln, Würfeln und Kreiseln beglückt werden.