„Wer arbeiten will, findet auch Arbeit.“ — „Darf ich Sie mal was fragen?“

Wir belauschen ein Leistungsträgergespräch am Nebentisch. Die Herren sind gut gekleidet, gepflegt, kennen die Welt und ihre Pappenheimer und sind sich einig: »Wer arbeiten will, findet auch Arbeit.«

Was soll man darauf antworten? Zum Beispiel das: „Nur darf man nicht gerade zu dem kommen, der diesen Satz spricht; denn der hat keine Arbeit zu vergeben,und der weiß auch niemand zu nennen, der einen Arbeiter sucht.

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Flughäfen sind Jobmaschinen? Von wegen!

Flughäfen – oder vielmehr Airports – sind die Marsfelder und Circi Maximi der Betonzeit; die kritische Leserin verzeihe mir den affektierten, aber korrekten lateinischen Plural von Circus Maximus. Während Wichtigtuer und Touristen auf dem Corso des Terminals Schau laufen, treten glitzernde Flugdrachen auf der endlos weiten Ebene der Start- und Landebahnen zu rituellen Turnieren an. Die Destinationen auf der großen Tafel beschwören, wie einst die Chöre altgriechischer Theater, die Vision herauf, als sei die gesamte bekannte und unbekannte Welt an diesem heiligen Ort gegenwärtig.

Was rede ich da? Flughäfen sind natürlich das Ergebnis der reinen ökonomischen Vernunft. Das behauptet jedenfalls der Kölner Verkehrswissenschaftler Herbert Baum in zahlreichen Gutachten, die immer wieder zitiert werden, um den weiteren Ausbau von Flughäfen zu rechtfertigen.

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„Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind.“ Ei, das ist vorbei.

Die beliebte Redensart ertönte jahrzehntelang gebetsmühlenartig immer dann, wenn irgendwo ein neuer Götzendienst der deutschen Beschleunigungskirche eröffnet wurde – etwa zur Internationalen Automobil-Ausstellung 2011. Gepaart oft mit Auspuffdogma Nummer 2: „Jeder siebte deutsche Arbeitsplatz hängt von der Autoindustrie ab.“ In neuerer Zeit liest man aber auch Entgegnungen, etwa hier bei auto.de vom 30.9.2017, denn Marktstudien sprechen schon lange eine andere Sprache.

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Die Widersprüche der Digitalisierungskritiker

Walter van Rossum moderierte im Herbst 2019 eine Sendung der WDR-Reihe »Gutenbergs Welt« über »digitale Ideale«. Schon gleich am Anfang behauptete er, dass es „früher“ noch einen Glauben an den Fortschritt gegeben habe, „heute aber“, wenn es ums Digitale gehe, nur Leerformeln gedroschen würden vom Anschluss, den wir nicht verlieren dürften usw. Offenbar konnte er sich keine utopischen Ziele vorstellen, die mit digitalen Techniken gelöst werden könnten. „Die Wonnen des sich selbst befüllenden Kühlschranks oder die Verheißungen des autonomen Fahrens reißen zwar niemanden vom Hocker, werden aber als Bedingungen unseres Überlebens verkauft.“ Massive Probleme der Digitalisierung würden verschwiegen. Nämlich dass bis zu 50 % der Arbeitsplätze wegrationalisiert werden könnten.

Hmm – haben „früher“ nicht Marxisten stets gejubelt, wenn uns der Fortschritt der Produktivkräfte von der Last sehr vieler Arbeit befreit hat? Bieten diese 50 % nicht die Chance, die Arbeitszeit für alle zu halbieren?

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Warum es links ist, Kohle und Stahl zu verabschieden

Essen machen: Wer am 1. Mai 2019 arbeitete
Wer am 1. Mai 2019 arbeitete

Auf der DGB-Kundgebung zum 1. Mai 2019 in Bielefeld sprach der Aachener Christdemokrat und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, wobei er sich gegen eine große Menge Störer durchsetzen musste. Laschet fühlte sich bemüßigt, zur Forderung der Klimaschützer nach Ausstieg aus der Kohle Stellung zu nehmen. Mehrfach forderte er uns Zuhörer auf, die Interessen der Arbeiter von Stahl-, Aluminium-, Chemie- und Autoindustrie zu beachten. Angesichts unserer roten Fahnen betonte er, es sei nicht links, deren Arbeitsplätze zu gefährden.

Doch, es ist links, ein Stahl- oder Aluminiumwerk für den Klimaschutz zu schließen. Als alter Aachener widerspreche ich Ihnen, Herr Laschet. Warum es links ist, Kohle und Stahl zu verabschieden weiterlesen

Zwölf Ideen für die Revolution 2019, Baujahr 1919

Im Februar 2019 habe ich, um des hundertsten Jubiläums der deutschen Novemberrevolution zu gedenken, in Bielefeld eine Lesung von Texten damaliger Revolutionärinnen und Revolutionäre veranstaltet. Im Anhang meines Textbuches habe ich versucht, Ideen dieser Menschen auf die heutige Zeit anzuwenden. Herausgekommen sind zwölf Betrachtungen:

  1. Exportweltmeister? Kein Grund, stolz zu sein (nach Kurt Tucholsky)
  2. Arbeiten oder Schuften? (nach Kurt Tucholsky)
  3. Arbeitslose, aufgepasst! (nach Ret Marut al. B. Traven)
  4. Aufrüstung als epileptischer Anfall (nach Hugo Haase)
  5. Gewalt kann nichts Heiliges schaffen (nach Ernst Toller)
  6. Zahlen sind oft ziemlich dumm (nach Alfons Goldschmidt)
  7. Empathie kommt aus der Distanz heraus (nach Gustav Landauer)
  8. Warum der NC eine saublöde Idee ist (nach Kurt Eisner)
  9. Macht ohne Geist ist hohl (nach Klabund)
  10. Revolution ist Schwesternsache (nach Rosa Luxemburg)
  11. Politik ist Kunst, und Kunst ist Radau (nach Kurt Eisner und Richard Huelsenbeck)
  12. Lebenskunst für Regimekritikerinnen (nach Rosa Luxemburg, Erich Mühsam, Hannah Arendt)
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Die Arbeit geht uns aus? Leider nicht.

Das Laster der Faulheit ist nach wie vor verpönt, konstatiert Viola Schenz in der Süddeutschen Zeitung vom 31.12.2017. Das sei ein Anachronismus, sagt sie, denn die künftige Arbeitswelt komme ohne Müßiggang nicht aus: „Arbeit wird weniger. Die Digitalisierung nimmt uns eine Tätigkeit nach der anderen weg“, behauptet sie. Das dürfte ein Fehlschluss sein.

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Löhne müssen sinken, um konkurrenzfähig zu bleiben? Ja: in Südkorea!

Jahrfünftelang predigten uns Hans-Werner Sinn und andere Rote-Laterne-Propheten jeden Tag die Ohren voll: Die Löhne in Deutschland sind viel zu hoch, sie müssen sinken, und die Arbeitszeiten müssen steigen, damit „wir“ (deutschen Aktionäre) auf dem Weltmarkt wieder konkurrenzfähig werden. Andernfalls wandert die gesamte Industrie nach Asien ab. Jetzt erklärte ein südkoreanischer Automanager: Die Arbeitskosten in Südkorea sind viel höher als in Europa. Löhne müssen sinken, um konkurrenzfähig zu bleiben? Ja: in Südkorea! weiterlesen

Stimmt nicht: „Jeder siebte deutsche Arbeitsplatz hängt von der Autoindustrie ab.“

So viele sind es wirklich: 2 %!
So viele sind es wirklich: 2 %!

Anlässlich der VW-Diesel-Krise musste das jahrzehntealte Zahlendogma der deutschen Betonköpfe wieder mal herhalten: „Jeder siebte deutsche Arbeitsplatz hängt direkt oder indirekt von der Autoindustrie ab“, behauptete Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel laut NDR am 22.9.2015,* ohne auch nur den Schatten eines Belegs für seine steile These beizubringen. Allerdings fragte ihn bis jetzt auch niemand nach einem Beleg, da alle Journalisten das Dogma eben seit Jahrzehnten kennen. Es ist jedoch eindeutig falsch. Stimmt nicht: „Jeder siebte deutsche Arbeitsplatz hängt von der Autoindustrie ab.“ weiterlesen

„Ökos arbeiten sorgenfrei im öffentlichen Dienst.“

Gegner des Naturschutzes arbeiten gerne mit der Unterstellung, dass alle, die sich zum Beispiel für den Erhalt eines alten Waldes mit Specht- und Fledermaushöhlen einsetzen, im öffentlichen Dienst arbeiten müssen, als städtische Beamte oder als Lehrer. Denn wenn sie in der freien Wirtschaft arbeiten und sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen müssten, dann würden sie natürlich stets dem Interesse eines Unternehmens Vorrang geben gegenüber dem Interesse der Menschheit am Erhalt eines Naturerbes. „Ökos arbeiten sorgenfrei im öffentlichen Dienst.“ weiterlesen