Das Böse im Auge

Das erste Foto hat mir schon gereicht: eine Schnellstraße, zwei quer stehende, ausgebrannte Autos, aufgerissene Türen. Auf der Fahrbahn liegen, schemenhaft zu sehen, die Leichen der beiden Fahrer. Die Hamas ist im Zentrum des Bösen angekommen. Muss ich irgendwas revidieren? Ich glaube nicht, denn als Pazifist und Friedenskämpfer habe ich diese Truppe und Mörderbande auch vorher schon nicht ausstehen können oder genauer: als feindliche Kraft erkannt.

Das Böse im Auge weiterlesen

Der Feind steht rechts

Ein linksliberaler Medientopos ist die Klage über die Spaltung der Gesellschaften, über unversöhnliche, oft moralisch durchwirkte Kontroversen, und oft werden Social Media und die berüchtigten Filterblasen dafür verantwortlich gemacht, die angeblich das Internet erzeugt. Abgesehen davon, dass diese Erklärungsversuche einander krass widersprechen – denn wenn wir wirklich in Filterblasen lebten, dann würden wir mit denen, mit denen wir uns streiten, nie zusammenstoßen –, abgesehen davon sind sie historisch einfach falsch. Die Spaltung geht auf Aktivitäten alter Männer in alten Medien zurück.

Der Feind steht rechts weiterlesen

Wenn die Freundin sich den Coronaleugnern anschließt

Seit Ende April 2020 decken mich Bekannte, auch Freundinnen, regelmäßig mit den weitergeleiteten Meinungen angeblicher Freiheitskämpfer ein, die in der Corona-Pandemie eine lügnerische Verschwörung von aktuellen oder zukünftigen Diktatoren wittern. Anfangs machte ich mir die Mühe, diese Meinungen zur Kenntnis zu nehmen und ihnen Stück für Stück zu widersprechen. Dann merkte ich: Das ist uferlos und bringt mich von meinen eigenen Themen ab. Was also tun?

Wenn die Freundin sich den Coronaleugnern anschließt weiterlesen

Mit Beethoven gegen die Folter

Künstler können die Welt nicht verändern? Das kann man anders sehen. Der britische Evolutionspsychologe Steven Pinker ging in dem 2011 erschienenen Mammutwerk »Gewalt« der Frage nach, warum sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Europa eine Kultur des Mitleids, der Empathie ausbreitete (damals Empfindsamkeit genannt) und dafür sorgte, dass die Folter stark eingeschränkt wurde, dass die Todesstrafe auf wenige Verbrechen beschränkt wurde, …

Foto: Gefangenenchor zur Premiere einer Aufführung der Oper Fidelio am 28. Juni 2014 im Gefängnishof der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus. Von Nurfoto – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33655014 

Mit Beethoven gegen die Folter weiterlesen

Übermenschen, aufgepasst!

Mein Freund tonikal hat nach langer Zeit wieder was von sich lesen lassen: „Wenn Intellektuelle für Nietzsche schwärmen„. Apropos Nietzsche: Hier gibt es eine entzückende 11-Minuten-Zusammenfassung des Zarathustrabuches im Playmobil-Format.

Übermenschen, aufgepasst! weiterlesen

Weihnachtliches Lob der Warenwelt

Allgegenwärtig ist die Klage über die Kommerzialisierung der Weihnachtszeit. »Schrecklich, wie kommerziell es zu Weihnachten zugeht!«, rief am 19. Dezember 2019 ein Radiomoderator in WDR 3 aus. »Da genügt schon ein Blick auf die Wunschzettel der Kinder: Sie wollen ein Eifon 13 und Gutschilatschen und ein Bättmänset von Kego.« Als Alternative propagierte er im nächsten Satz ein Weihnachtsritual, bei dem die Kinder mit hölzernen Kegeln, Würfeln und Kreiseln beglückt werden.

Früher? War mehr Lametta

Weihnachtliches Lob der Warenwelt weiterlesen

Der umgedrehte Hobbes: Jäger und Sammler waren nicht kriegerisch, sondern solidarisch

Der immer noch häufig zitierte britische Philosoph Thomas Hobbes behauptete 1651 in seinem staatstheorethischen Werk »Leviathan«, die Menschen im Naturzustand hätten einen Krieg aller gegen alle (bellum omnium contra omnes) geführt. Diese These warf eigentlich immer schon die Frage auf, wie die Menschheit diesen lebensgefährlichen Zustand über Zehntausende von Jahren hinweg überlebt haben soll. Dass an Hobbes‘ Theorie und Basta-Dogma nichts dran ist, zeigen neuere Erkenntnisse von Anthropologen und Genetikern, die Carel van Schaik und Kai Michel 2016 zusammentrugen.

Der umgedrehte Hobbes: Jäger und Sammler waren nicht kriegerisch, sondern solidarisch weiterlesen

Hallo Vergewaltiger! So klappt es mit der Vergebung des Opfers

Als Überlebender eines sexuellen Missbrauchs in meiner Kindheit hörte ich am Karfreitag 2019 in der WDR-Reihe »Lebenszeichen« einen Beitrag von Christoph Fleischmann: »Über den Umgang der Kirche mit Schuld | Vergebung oder Gerechtigkeit?« Es ging um den sexuellen Missbrauch in katholischen Internaten usw. und den Umgang mit Opfern und Tätern dieser Verbrechen. Dabei wurde problematisiert, wie stark katholische Geistliche darauf aus sind, dass die Opfer den Tätern ihre Tat vergeben. Das tue auch den Opfern gut, sagen die Bischöfe. Eine Zumutung! Sie leidet an einem großen Denkfehler. Hallo Vergewaltiger! So klappt es mit der Vergebung des Opfers weiterlesen

Zwölf Ideen für die Revolution 2019, Baujahr 1919

Im Februar 2019 habe ich, um des hundertsten Jubiläums der deutschen Novemberrevolution zu gedenken, in Bielefeld eine Lesung von Texten damaliger Revolutionärinnen und Revolutionäre veranstaltet. Im Anhang meines Textbuches habe ich versucht, Ideen dieser Menschen auf die heutige Zeit anzuwenden. Herausgekommen sind zwölf Betrachtungen:

  1. Exportweltmeister? Kein Grund, stolz zu sein (nach Kurt Tucholsky)
  2. Arbeiten oder Schuften? (nach Kurt Tucholsky)
  3. Arbeitslose, aufgepasst! (nach Ret Marut al. B. Traven)
  4. Aufrüstung als epileptischer Anfall (nach Hugo Haase)
  5. Gewalt kann nichts Heiliges schaffen (nach Ernst Toller)
  6. Zahlen sind oft ziemlich dumm (nach Alfons Goldschmidt)
  7. Empathie kommt aus der Distanz heraus (nach Gustav Landauer)
  8. Warum der NC eine saublöde Idee ist (nach Kurt Eisner)
  9. Macht ohne Geist ist hohl (nach Klabund)
  10. Revolution ist Schwesternsache (nach Rosa Luxemburg)
  11. Politik ist Kunst, und Kunst ist Radau (nach Kurt Eisner und Richard Huelsenbeck)
  12. Lebenskunst für Regimekritikerinnen (nach Rosa Luxemburg, Erich Mühsam, Hannah Arendt)
Zwölf Ideen für die Revolution 2019, Baujahr 1919 weiterlesen

Das Über-Böse ist immer und überall? Einspruch, hohes Gericht!

Rebekka Reinhard näherte sich im Herbst 2017 in der »Hohen Luft« philosophisch dem Hollywoodthema Nr. 1, der Grausamkeit. Eine Mordszene aus Martin Scorseses Spielfilm „Casino“ steht als Prolog Pate. Dabei stellt sie, unter Berufung auf die usamische Politologin Judith N. Shklar (1928-1992), den Hamburger Literaturhistoriker Jan Philipp Reemtsma (*1952) und den französischen Philosophen Henri Bergson (1859-1941), einige Thesen über Gewalt und Grausamkeit auf, deren Dogmencharakter ich kritisieren will. Vor allem diese These: „Grausamkeit von Mensch zu Mensch geschieht ständig und überall, im Krieg, im Alltag, im Privaten wie im Politischen.“ Das Über-Böse ist immer und überall? Einspruch, hohes Gericht! weiterlesen