Kolonialismus oder Antisemitismus? Arnold Gehlen hilft weiter

Aktuelle Ausein­an­der­set­zungen wie die um indone­si­sche Wandbilder auf der documenta fifteen (2022) oder um den Terror des 7. Oktober 2024 und den anschlie­ßenden Gazakrieg führen immer wieder in eine Sackgasse, in der der Schutz von Jüdinnen und Juden vor antise­mi­ti­scher Gewalt und der Kampf mit dem kolonia­lis­ti­schen Erbe in einen unüber­brück­baren Gegen­satz zu geraten scheinen.  Meine These ist, dass die histo­ri­sche Analyse des Nazire­gimes Tritt­steine gesetzt hat, die aus der Sackgasse heraus­führen können. Ich blicke über 30 Jahre zurück: Der Histo­riker Chris­tian Graf v. Krockow analy­sierte 1990 in seinem Essay »Die europäi­sche Vernunft und das deutsche Drama«[1] die Frage, warum es in Deutsch­land [und Italien] ein faschis­ti­sches Régime gab, in Großbri­tan­nien, Frank­reich [und Usa] jedoch nicht. Dort bezog er sich auf den konser­vativ-faschis­ti­schen deutschen Sozio­logen Arnold Gehlen. Über Gehlen und Krockow kommen wir einen Schritt weiter, wenn wir den Kolonia­lismus in die Analyse mit einbe­ziehen.

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Ihre Namen seien: Diametrale, Progressive und Plurale

Es wird offenbar ernst­haft darüber nachge­dacht, die nach 2001 entstan­dene westliche Kultur mit dem läppi­schen Wort „postpost­mo­dern“ zu bezeichnen.[1] Das spätes­tens sollte Menschen, denen Worte und Geschichte wichtig sind, Anlass geben, über Sinn und Unsinn gängiger Epochen­begriffe nachzu­denken. Der Histo­riker und Werbe­texter Jens Jürgen Korff schlägt hier sechs neue vor.[2]

Bild: Von Skulptur: Max Bill; Foto: Volker Wagenitz – Eigenes Werk, CC0

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Eine Welt ohne Religion?

Natur­wis­sen­schaft­le­rinnen und Techniker werfen uns Geistes- und Sozial­wis­sen­schaft­le­rinnen gerne vor, wir schnitzten uns eine Welt, wie sie uns gefällt. Doch wenn es um Religion geht, tun jene praktisch genau das, was sie uns vorwerfen: Sie konstru­ieren eine Kultur ohne Religion, eine Stadt ohne Kirchen, also eine Art Dreieck ohne Winkel. Übrigens wäre eine Welt ohne Religion vermut­lich eine Welt ohne Kunst.

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Jesus und Judas – wer hat wen verraten?

Am Karfreitag starb nicht nur Jesus von Nazaret am Kreuz, sondern auch Judas Iskariot am Baum. Da Jesus ihn als Verräter und Teufel beschimpft (Johannes 6, 70) und dem Verräter den Unter­gang prophe­zeit hat (Lukas 22, 22), haben wir uns angewöhnt, diese Sicht­weise zu übernehmen und den Stricktod des Judas als gerechte Strafe zu bewerten. Die Verrä­ter­figur Judas wurde zum Bestand­teil des christ­lich motivierten Antise­mi­tismus, des Hasses auf die Juden als »Gottes­mörder« und Lumpen. Mein Lieblings-Evange­list Tim Rice übernahm diese Vorur­teile nicht und ließ 1970 in der Rockoper »Jesus Christ Super­star« Judas ausführ­lich selber zu Wort kommen.

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Weihnachtliches Lob der Warenwelt

Allge­gen­wärtig ist die Klage über die Kommer­zia­li­sie­rung der Weihnachts­zeit. »Schreck­lich, wie kommer­ziell es zu Weihnachten zugeht!«, rief am 19. Dezember 2019 ein Radio­mo­de­rator in WDR 3 aus. »Da genügt schon ein Blick auf die Wunsch­zettel der Kinder: Sie wollen ein Eifon 13 und Gutschi­lat­schen und ein Bättmänset von Kego.« Als Alter­na­tive propa­gierte er im nächsten Satz ein Weihnachts­ri­tual, bei dem die Kinder mit hölzernen Kegeln, Würfeln und Kreiseln beglückt werden.

Früher? War mehr Lametta

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Hallo Vergewaltiger! So klappt es mit der Vergebung des Opfers

Als Überle­bender eines sexuellen Missbrauchs in meiner Kindheit hörte ich am Karfreitag 2019 in der WDR-Reihe »Lebens­zei­chen« einen Beitrag von Chris­toph Fleisch­mann: »Über den Umgang der Kirche mit Schuld | Verge­bung oder Gerech­tig­keit?« Es ging um den sexuellen Missbrauch in katho­li­schen Inter­naten usw. und den Umgang mit Opfern und Tätern dieser Verbre­chen. Dabei wurde proble­ma­ti­siert, wie stark katho­li­sche Geist­liche darauf aus sind, dass die Opfer den Tätern ihre Tat vergeben. Das tue auch den Opfern gut, sagen die Bischöfe. Eine Zumutung! Sie leidet an einem großen Denkfehler. Hallo Verge­wal­tiger! So klappt es mit der Verge­bung des Opfers weiter­lesen

Das Ende ist nah. Und wehe, wenn nicht!

Im August 2017 veröf­fent­lichte die Bertels­mann-Stiftung ihre Religi­ons­mo­nitor-Studie. Dort kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass sich die meisten Muslime in Deutsch­land nach einigen Jahren, oder wenn sie hier geboren wurden, ziemlich gut ins deutsche Bildungs­system und ins deutsche Berufs­leben integrieren. Die Meldungen darüber lösten, wie Said Rezek in der taz am 30.1.2018 rekapi­tu­lierte, keine Erleich­te­rung, sondern eine Empörungs- und Hasswelle aus. „Lügen­wissenschaft!“ schrien die Deutsch­nationalen allent­halben und griffen auf Goebbels‘ alte Geheim­waffe zurück, das gefälschte Churchill-Zitat: „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!“ Das christ­liche Abend­land geht unter, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche! Was ist da los? Das Ende ist nah. Und wehe, wenn nicht! weiter­lesen

„Der politische Islam strebt nach der Weltherrschaft.“ Na dann viel Glück!

Die arabisch-schwei­ze­ri­sche Polito­login Elham Manea antwor­tete in einem Inter­view mit dem konser­va­tiven deutschen Magazin »Cicero« (5.4.2018) auf die Frage, warum das islami­sche Kopftuch, der Hijab, ein Problem sei, das Kopftuch von ortho­doxen Jüdinnen aber nicht: »Weil der politi­sche Islam im Gegen­satz zum ortho­doxen Judentum oder zu christ­li­chen Sekten eine Ideologie ist, die nach weltweiter Macht strebt… Die Kontrolle über die Frau ist … eine der Haupt­stra­te­gien des Islamismus in seinem globalen Dominanz­an­spruch. Das dürfen wir nicht vergessen.« Das ist ein Basta-Dogma, wie üblich ohne weitere Belege vorge­tragen. Ich wider­spreche also, wie ich es schon 2015 in meinem Buch getan habe. Hier mehr zu anderen Thesen Maneas.
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„Islamisten zielen immer zuerst auf die Frauen ab.“ Glaube ich nicht.

Fortset­zung der Kopftuch­de­batte mit Birgit Ebel und Carolin Meyer. Das Inter­view der konser­va­tiven Zeitschrift »Cicero« mit der arabisch-schwei­ze­ri­schen Polito­login und Demokratin Elham Manea (5.4.2018) ist sehr tiefgründig, sehr diffe­ren­ziert und ein intel­lek­tu­eller Genuss. Zum Beispiel ist Manea eine der wenigen Islam­kri­ti­ke­rinnen, die offen erwägt, welche unter­schied­li­chen persön­li­chen Motive Kopftuch­trägerinnen haben können; die diese Frauen also nicht als Mario­netten einer geheimen Armee­füh­rung abstem­pelt. Doch auch sie will uns hier und da mal ein Dogma unter­ju­beln, das seiner­seits der Kritik bedarf. „Islamisten zielen immer zuerst auf die Frauen ab.“ Glaube ich nicht. weiter­lesen

„Das Kopftuch ist ein Mittelfinger.“ Mag sein. Piercings aber auch.

In der von Birgit Ebel angezet­telten Kopftuch­de­batte wurde auf eine ziemlich indis­ku­table Tirade von Anabel Schunke in der konser­va­tiven Postille »Tichys Einblick« (15.4.2016) verwiesen. Schon der Titel enthält eine schlichte negative Meinungs­these (»Das Kopftuch ist nicht bloß ein Stück Stoff«), die nicht einen Beleg dafür anführt, wer die gegen­tei­lige Meinung überhaupt vertreten hat. Im gleichen Stil geht es durch den ganzen Artikel weiter, ein Basta-Dogma nach dem anderen: »Der Islam sexua­li­siert den Alltag der Gläubigen und das mehr als jede Werbung mit halbnackten Frauen. Frauen können nichts zur Ehre einer musli­mi­schen Familie beitragen. Sie können sie nur beschmutzen.« Lauter steile Thesen, die ohne Belege wertlos bleiben. „Das Kopftuch ist ein Mittel­finger.“ Mag sein. Piercings aber auch. weiter­lesen