Dreierlei Dogmen

Dumme Sprüche gibt es wie Klee im Rasen. Deshalb möchte ich die Sache hier etwas enger fassen und mich in diesem Buch nur einer beson­deren Art von dummen Sprüchen widmen: Dogmen. Dogmen sind Glaubens­sätze, die eine scheinbar ewige Wahrheit verkünden. Ein Dogma tut so, als würde es eine Tatsache feststellen, die niemand ernst­haft bezwei­feln kann. Dabei ist es weitge­hend immun gegen­über Einzel­tat­sa­chen, die ihm zuwider­laufen; denn das Dogma hat immer das große Ganze im Blick. Dogmen stellen in der Regel keine wirkli­chen Tatsa­chen fest, sondern geben eine Prognose ab oder beschreiben eine vermeint­liche Lebens­weisheit.

Der Sozio­loge Pierre Bourdieu hat sich über das gleiche Phänomen geäußert und nannte es “Doxa” : Überzeu­gungen, die von einer Gesell­schaft nicht hinter­fragt werden, sondern als selbst­ver­ständ­lich und offen­sicht­lich gelten. Er unter­schied aller­dings zwischen Glaubens­sätzen, die ihrer selbst nicht bewusst sind (Doxa), und solchen, die ihrer selbst, zumin­dest zeitweise, bewusst sind (Dogmen). Ich verzichte hier auf diese Unter­schei­dung, sehe die unter­suchten Dogmen auch eher als Glaubens­sätze von Teilen der Gesell­schaft und nicht der ganzen Gesell­schaft an. Das ist bei den Dünkel­dogmen beson­ders deutlich (s.u.).

Weil Dogmen keine wirkli­chen Tatsa­chen feststellen oder feststellen wollen, kann man sie nicht wider­legen. Einen Satz wie “Wer arbeiten will, findet auch Arbeit” kann man nicht wider­legen, weil derje­nige, der an ihn glaubt, persön­liche Beispiele oder Gerüchte im Kopf hat, die ihm scheinbar Recht geben. Es sind sogar Sätze darunter, die mir selbst zuweilen plausibel erscheinen. Man kann den Dogmen aber wider­spre­chen: Gründe benennen, die gegen sie sprechen, auf ihre inneren Wider­sprüche verweisen und aufzeigen, welche wichtigen Aspekte sie ignorieren.

Ich unter­scheide in diesem Buch drei Typen von Dogmen: „Dogmen der Beton­köpfe“, „Basta-Dogmen“ und „Dünkel­dogmen“.

Die Dogmen der Beton­köpfe dienen in der Regel dazu, eine bestimmte Art des Wirtschaf­tens als die einzig mögliche zu definieren: Flughäfen sind Jobma­schinen. Jeder siebte deutsche Arbeits­platz hängt von der Autoin­dus­trie ab. Wir können nicht davon leben, uns gegen­seitig die Haare zu schneiden. Kapital ist ein scheues Reh.

Basta-Dogmen sollen Diskus­sionen beenden und so dafür sorgen, dass Herrschafts­ver­hält­nisse nicht angetastet werden: Wer arbeiten will, findet auch Arbeit. Wer A sagt, muss auch B sagen. Dazu gibt es keine Alter­na­tive. Das vereinte Volk wird niemals besiegt.

Dünkel­dogmen dienen bestimmten Gruppen dazu, ihren Status als »die Besseren« zu wahren und andere Gruppen als »die Schlech­teren« abzuwerten: Nicht jeder Moslem ist ein Terro­rist, aber jeder Terro­rist ist ein Moslem. Vox populi vox Rindvieh. Politik verdirbt den Charakter. Arme sind an ihrer Lage meist selber schuld.

Später habe ich noch einen vierten Typ identi­fi­ziert, die Duckmäu­ser­dogmen. Duckmäu­ser­dogmen sind das Gegen­stück zu den Basta-Dogmen: Sie dienen Menschen dazu, sich selbst zum Schweigen zu bringen und die Hegemonie eines Basta-Dogma­ti­kers hinzu­nehmen: Geld regiert die Welt. Der kleine Mann kann da gar nichts tun. Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.

Buch und Website liefern reich­lich Argumente zum Wider­spruch und können Sie ermutigen, munter in den Meinungs­streit einzu­greifen. Das kann dazu führen, dass Sie auch an unerwar­teten Stellen die Freiheit zurück­ge­winnen, Ihr Leben bewusster zu gestalten.

Jens Jürgen Korff