Gibt es einen Wachstumszwang „im Kapitalismus“?

Die Publizistin Annette Schlemm sagte in einer Diskussion in ihrem »Philosophenstübchen«: Der Kapitalismus habe vierzig Jahre Zeit gehabt, einen Weg aus dem Ressourcen- und Klimadilemma zu finden, und habe ihn nicht gefunden. Ist das nicht merkwürdig formuliert? Das klingt so, als wäre »der Kapitalismus« eine Regierung, die wir gewählt haben, oder ein Dienstleister, den wir beauftragt haben und bezahlen. Das klingt so, als gäbe es einen Hohen Rat des Kapitals, der regelmäßig über diese Frage berät und entscheidet. Den gibt es aber nicht. Dazu kommen weitere Einwände: Unternehmen und ganze Branchen können auch schrumpfen, ohne zusammenzubrechen. Die biologische Metapher ist falsch. Selbst Investoren können mit Verlusten leben und haben zuweilen andere Motive als den platten Gewinn. (Foto: Korff)

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Die wunderbare Welt der Panzer

Einer freut sich ’nen Säbel über den Krieg: Der Leopard-Hersteller Rheinmetall. Sicher auch BASF und andere Chemiekonzerne, die Grundstoffe für die Munition liefern. Die Zeitung „Werben & Verkaufen (W&V)“ untersuchte und bewertete im Februar 2023 die dazu passenden Werbekampagnen von Rheinmetall. Ich zitiere Auszüge.

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Eine Welt ohne Religion?

Naturwissenschaftlerinnen und Techniker werfen uns Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen gerne vor, wir schnitzten uns eine Welt, wie sie uns gefällt. Doch wenn es um Religion geht, tun jene praktisch genau das, was sie uns vorwerfen: Sie konstruieren eine Kultur ohne Religion, eine Stadt ohne Kirchen, also eine Art Dreieck ohne Winkel. Übrigens wäre eine Welt ohne Religion vermutlich eine Welt ohne Kunst.

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Wir wissen es nicht? Doch, oft wissen wir genug, um eingreifen zu können

Pascal Vasselin und Franck Cuveillier stellten 2020 im Doku­men­tar­film »La fabrique de l’ignorance« Forschungsergebnisse der Agnotologie vor, die die gezielte Produktion von Nichtwissen, die Vernebelung wissenschaftlicher Erkenntnisse durch Industrielobbys und konservative Denkfabriken untersucht. In zahlreichen Interviews mit Psychologen, Wissenschaftshistorikern u.a. erleben wir die Kampagne der Chemiekonzerne gegen die Entomologie (Thema Neonikotinoide und Bienensterben), die Kampagne der Tabakindu­strie gegen die Krebsforschung, die Kampagne von Physikern gegen die Klimaforschung (darunter den »Heidelberger Appell« von 1992), die Kampagne der Plastikindustrie und der Toxikologen gegen Epidemiologen nach, die die Wirkung von endokrinen Disruptoren wie dem Weichmacher Bisphenyl A erforscht haben.

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Deutscher Exportkult ohne Ende und ohne Grundlage

Der leitende Wirtschaftsredakteur der Süddeutschen Zeitung, Alexander Hagelüken (»Lasst uns länger arbeiten!«, 2019) nutzte Ostern 2021 die Coronakrise, um einmal mehr zu behaupten, dass »wir Deutschen» »unsere Wirtschaft» und »unseren Wohlstand« nur durch den Export von Autos, Maschinen, Chemikalien usw. erhalten könnten. Dabei übertrieb er die wirtschaftliche Bedeutung der Exporte.

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Warum eine Versöhnung mit Trumpisten nicht möglich sein wird

Viele Beobachter fragen sich bang, ob Joe Biden als US-Präsident das heillos zerstrittene Land wieder wird einigen können. Geschickt geht er bereits auf die Republikaner zu, die sich von dem Rüpel abgesetzt haben. Es ist immer richtig, die gefährlichsten Gegner zu isolieren. Doch der Versuch, sich mit dem harten Kern der Trumpisten zu versöhnen, mit jenen 45 % der -ump-Wähler, die den Sturm auf das Kapitol befürworten, ist wohl zum Scheitern verurteilt und wäre auch politisch falsch. Aus drei Gründen – oder soll ich sie nach dem Vorbild von Konfuzius und Sokrates besser als Fragen formulieren? Mal ausprobieren…

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Der konservative Katechismus des Technokraten Bolz

Der konservative Medienwissenschaftler Norbert Bolz agitierte in seinem Buch »Die Avantgarde der Angst« gegen die apokalyp­tische Religion der Klimaschützer. Der »Freitag« veranstaltete ein Streitgespräch zwischen Bolz und dem Politologen Albrecht von Lucke (3. 12. 2020). Der Fridays-for-Future-Bewegung, speziell Luisa Neubauer warf Bolz vor, als apokalyptische Sekte aufzutreten. Er selbst trat für die betonierte Religion der Naturbeherrschung ein.

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Flughäfen sind Jobmaschinen? Von wegen!

Flughäfen – oder vielmehr Airports – sind die Marsfelder und Circi Maximi der Betonzeit; die kritische Leserin verzeihe mir den affektierten, aber korrekten lateinischen Plural von Circus Maximus. Während Wichtigtuer und Touristen auf dem Corso des Terminals Schau laufen, treten glitzernde Flugdrachen auf der endlos weiten Ebene der Start- und Landebahnen zu rituellen Turnieren an. Die Destinationen auf der großen Tafel beschwören, wie einst die Chöre altgriechischer Theater, die Vision herauf, als sei die gesamte bekannte und unbekannte Welt an diesem heiligen Ort gegenwärtig.

Was rede ich da? Flughäfen sind natürlich das Ergebnis der reinen ökonomischen Vernunft. Das behauptet jedenfalls der Kölner Verkehrswissenschaftler Herbert Baum in zahlreichen Gutachten, die immer wieder zitiert werden, um den weiteren Ausbau von Flughäfen zu rechtfertigen.

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Die Seuche als historisches Ereignis (Stand 1. Juli 2020)

Von Jens Jürgen Korff
Der Streit mit Leuten, die einen „Corona-Fake“ sehen, auch der Streit um die Einschätzung der Opferzahlen, drängt mich dazu, als Historiker eine Einschätzung der strittigen Fragen vorzunehmen. Dabei geht es nach Lage der Dinge zunächst um die historische Entwicklung der Seuche und der Gegenmaßnahmen, vor allem des großen Lockdown im März 2020. Als historisches Ereignis hat die Seuche zusammen mit der Kontaktsperre natürlich auch längerfristige Folgen, die Historiker analysieren müssen – aber dazu ist es zu früh.

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„Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind.“ Ei, das ist vorbei.

Die beliebte Redensart ertönte jahrzehntelang gebetsmühlenartig immer dann, wenn irgendwo ein neuer Götzendienst der deutschen Beschleunigungskirche eröffnet wurde – etwa zur Internationalen Automobil-Ausstellung 2011. Gepaart oft mit Auspuffdogma Nummer 2: „Jeder siebte deutsche Arbeitsplatz hängt von der Autoindustrie ab.“ In neuerer Zeit liest man aber auch Entgegnungen, etwa hier bei auto.de vom 30.9.2017, denn Marktstudien sprechen schon lange eine andere Sprache.

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