Ab 1933 verwendeten die sowjetischen und europäischen Kommunisten, soweit sie der Linie der Kommunistischen Internationale (KI) folgten, eine Definition des Faschismus, die dem bulgarischen Kommunisten und KI-Chef Georgi Dimitrov zugeschrieben wird: „Faschismus ist die offen terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Teile des Finanzkapitals.“ Später, vor allem nach 1990, galt diese Definition oft als Musterbeispiel für eine grob-ideologische Vereinfachung und Verzerrung der Realität.
Derweil lese ich einen Brief von Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.[1] Resch berichtet darin, dass sich im Facebook-Forum »Stoppt die Deutsche Umwelthilfe« seit 2019 rund 50.000 Personen regelmäßig zur Hetzjagd auf Resch und auf die DUH verabreden. Sie ermuntern dort einander mit Sprüchen wie „Resch kann weg. Braucht kein Mensch“, „Jetzt ist das Volk dran, um diese Korrupten zur Strecke zu bringen“ oder „Wo ist ein Sniper, wenn man mal einen braucht“. Gegründet wurde die Plattform nach Reschs Angaben von einem führenden Manager der deutschen Autoindustrie, der sie weiterhin als Administrator organisiert.
Militante Straßenblockaden
Im Januar und Februar 2024 organisierten der Deutsche Bauernverband und andere Interessenverbände in Deutschland und anderen Ländern illegale Straßenblockaden, die sich dagegen richteten, dass Bundesregierung, Bundestag und EU die staatliche Subventionierung des klimaschädlichen Agrardiesels streichen wollten. Weitere Wutfaktoren der Bauern-Aktivisten waren der Entwurf einer EU-Verordnung, die die Belastung des Grundwassers mit giftigen Pestiziden begrenzen soll, und ein deutsches Umweltschutzgesetz, das die Belastung des Grundwassers mit gesundheitsschädlichen Nitraten aus der üblichen Gülleverklappung begrenzen soll. Aus Sicht des Bauernverbandes, der FDP und der AfD ist so etwas wirtschaftsfeindliche »Bürokratie«. Während der Blockaden gab es mehrere Exzesse gewaltbereiter Klima- und Umweltfeinde: In Brüssel zündeten sie Barrikaden an und bewarfen das Europaparlament mit Steinen. In Schweinfurt (Baden-Württemberg) kippten sie Mist vor das Büro eines Bundestagsabgeordneten der Grünen. In Schüttsiel (Schleswig-Holstein) blockierten sie eine Fähre, mit der Wirtschaftsminister Robert Habeck und seine Frau von einem privaten Urlaubsausflug zurückkehrten. In Rehberg-Loccum (Niedersachsen) blockierten sie die Zufahrt zum Kloster Loccum, wo die Hannoversche Landeskirche ihren Epiphanias-Empfang abhielt. In Tangermünde (Schleswig-Holstein) blockierten sie eine Elbebrücke und schnitten so das Awo-Krankenhaus in Jerichow vom Verkehr ab. In Biberach (Baden-Württemberg) randalierten Störer so heftig gegen den Politischen Aschermittwoch der Grünen, dass die Partei ihre Veranstaltung abbrechen musste. Mehrere Polizisten wurden dabei verletzt. In der Wustermark (Brandenburg) kippten sie Gülle und Mist auf die Fahrbahn der Bundesstraße 5, ohne die Blockade abzusichern. Mehrere Autos fuhren in die Sperre, es gab fünf Verletzte. Die Polizei setzte nirgendwo Wasserwerfer gegen die Täter ein und verzichtete fast überall darauf, Personalien der Täter festzustellen. So war sichergestellt, dass die Traktortäter straffrei blieben.
Die fanatische Wut deutscher Giftmanager kennt keine Grenzen
Offene Gewaltdrohungen und Gewaltakte gegen Menschen, die das Menschenrecht auf gesunde Atemluft verteidigen oder klimaschädliche Subventionen beenden wollen, scheinen auf den ersten Blick extreme Einzelfälle zu sein. Doch sie reihen sich ein in eine Kette juristischer, ökonomischer und politischer Kampfmaßnahmen deutscher Konzernvorstände, die alle darauf hinauslaufen, die Kritiker der umwelt- und klimaschädlichen Konzernstrategien auf allen Ebenen einzuschüchtern und organisatorisch zu vernichten. Jürgen Resch berichtet: 2003 startete die Deutsche Umwelthilfe gemeinsam mit BUND, NABU, VCD, ADAC und Kinderschutzbund die Kampagne »Kein Diesel ohne Filter« – gegen die deutschen Dieselrußkonzerne, die sich, anders als die französischen Autokonzerne, dogmatisch weigerten, Diesel-Autos mit Partikelfilter anzubieten. Als die DUH eine gemeinsame Pressekonferenz mit »AutoBild« ankündigte, drohten die deutschen Abgaskonzerne der Bild-Zeitung (!) mit einer Stornierung sämtlicher Anzeigen. »AutoBild« musste einen Rückzieher machen. Das bedeutet: Die Konzerne setzten mit ökonomischer Gewalt durch, dass die größte deutsche Tageszeitung nicht positiv über den Stand der Technik berichtete, der es längst möglich machte, Dieselabgase weniger giftig zu machen.
In jener Pressekonferenz verteilte die DUH Grüne Karten an Peugeot und Citroën, die Dieselautos mit Partkelfilter anboten, Rote Karten an Audi, BMW, Daimler, Opel und VW, die sich weigerten, und eine Gelbe Karte an Ford, weil Ford ein neues Dieselmodell mit Partikelfilter angekündigt hatte. Doch zwei Tage später zog Ford diese Ankündigung zurück und bat die DUH um eine Rote Karte. Die anderen Abgaskonzerne und der VDA (Verband der deutschen Abgas-Industrie) hatten den Ford-Konzern gezwungen, seinen Kundinnen und Kunden kein Dieselauto mit Partikelfilter anzubieten. Das brachte Ford in erhebliche Schwierigkeiten, denn Ford wollte dieses Modell mit einem französischen Motor ausrüsten, der standardmäßig einen Partikelfilter enthielt. Ford musste auf Druck der Dieselrußmafia tatsächlich Geld investieren, um diese Partikelfilter aus seinen Motoren auszubauen. Geld ausgeben, damit alle Ford-Diesel weiterhin genau so giftig blieben wie alle VW- und Daimler-Diesel![2] So weit kann der mittelalterlich anmutende Fanatismus deutscher Automanager – damals federführend: Bernd Pischetsrieder – gegen den technischen und menschlichen Fortschritt gehen.
2012 deckte die DUH durch Umfragen in Kompostierungsanlagen auf, dass eine Plastiktüte aus angeblich biologisch abbaubarem Kunststoff in Wirklichkeit dort keineswegs abgebaut wurde. Der Hersteller verklagte Resch persönlich und die DUH zu 2,7 Mio. € Schadensersatz wegen Geschäftsschädigung. Die Klage bedrohte Resch jahrelang mit der Privatinsolvenz, die DUH mit dem Untergang; 2018 wurde sie vom Bundesgerichtshof endgültig abgewiesen. Hinter dem Kläger steckten der deutsche Chemiekonzern BASF und die deutschen Handelsketten ALDI Nord, ALDI Süd und Rewe.[3]
Im Mai 2025 gründeten der ehemalige VW-Chef Matthias Müller und der Kommunikationschef des Chemiekonzerns Bayer-Monsanto, Christian Martin, eine »Initiative Transparente Demokratie«, die das Ziel hat, Umweltverbände wie DUH und BUND von staatlichen Fördermitteln und der steuerlichen Begünstigung von Spenden abzuschneiden. Man behauptet dort, die Umwelt- und Klimaschützer würden mit intransparent erschlichenen Staatsmitteln gegen die wirtschaftlichen Interessen deutscher Unternehmen vorgehen. Damit meinen sie u. a. die erfolgreiche Klage der DUH gegen die Zulassung des gesundheits- und naturschädlichen Bayer-Pestizids »Roundup Powerflex« (Glyphosat).
Resch berichtet, dass er seit 2019 Schutzmaßnahmen bei sich zu Hause und bei öffentlichen Auftritten ergreifen müsse. Weil die DUH durch Klagen immer wieder erzwingt, dass sich auch heilige deutsche Großkonzerne an bestehende deutsche und europäische Umweltschutzgesetze halten müssen, und dass die Bundesregierung an die Klimaschutzverpflichtung im Grundgesetz tatsächlich gebunden ist.
Faschismus-Merkmale
Die Aktivitäten, über die Resch berichtet, die oben erwähnten Aktionen militanter Bauern und auch die Klagestrategie deutscher Konzernvorstände erfüllen mehrere gängige Kriterien für Faschismus oder Diktatur:
- Sie rufen offen zu Gewalttaten gegen persönlich genannte politische Gegner auf.
- Sie rufen offen zum Bruch von Gesetzen und zum Bruch der Verfassung auf.
- Sie versuchen, den Abbruch von Veranstaltungen demokratischer Akteure zu erzwingen, Kritiker mit existenzbedrohenden Angriffen in die Knie zu zwingen, die freie Berichterstattung über Alternativen zu ihrer Strategie und ihren Produkten und den freien Handel mit abweichenden Produkten zu unterbinden.
- Sie setzen oft offen auf die übergesetzliche Herrschaft einer weder demokratisch noch marktwirtschaftlich legitimierten Elite.
Dieses letzte Element entstammt noch dem Feudalismus; es ist vorbürgerlich. Die Täter sind keine Dummköpfe oder Verblendeten, wie Faschisten in Deutschland üblicherweise gesehen werden. Sie sind rational handelnde Interessenvertreter und Kettenhunde einer bestimmten Fraktion des Industriekapitals: der Autoindustrie, der Chemieindustrie und – von Resch nicht erwähnt – der Betonindustrie – Baustoffkonzerne wie Heidelberg Materials (früher Heidelberg Zement; siehe End Cement) und Baukonzerne wie Trump oder Bilfinger, die aktuell vom hemmungs- und weitgehend gesetzlosen Straßen‑, Hafen‑, Flughafen‑, Bunker- und Kasernenausbau profitieren.
Daraus ergibt sich eine neue Faschismusdefinition nach dem Vorbild der alten „Dimitrov-Definition“:
„Faschismus ist die offen gesetzlose, terroristisch begleitete Diktatur der reaktionärsten, umwelt‑, klima- und sozialfeindlichsten Vertreter von großkapitalistischen Konzerninteressen.“
Eine grobe Vereinfachung, könnte man meinen. Doch vereinfacht eine solche Definition wirklich die Lage der Demokratinnen und Demokraten? Eher im Gegenteil: Sie zeigt auf, mit welcher Machtkonstellation wir es zu tun haben.
Sozialer Träger: die Arbeiter- und Bauernaristokratie
Die wichtigste Kritik an der Dimitrov-Definition des Faschismus zielte darauf, dass sie die soziale Basis der faschistischen Akteure vernachlässigt habe. Das kritiserten bereits zeitgenössische Kommunisten wie Lew Trotzki und August Thalheimer. In der Tat sollten wir auch heute im Auge behalten, welche Gruppen genau die faschistischen Gewalttaten ausüben oder ankündigen. Wer ist das Fußvolk, oder besser: das Lenkradvolk der Offiziere des fossilen Imperiums? Im einen Fall waren es Bauern, die riesige Traktoren besitzen; im andern Fall sind es fanatische Autofahrer, die glauben, ein Recht darauf zu haben, die Autobahnen mit ihren übermotorisierten Vierradgeschossen und Tempo 200+ unsicher zu machen. Seltsamerweise hat es sich eingebürgert, diese Akteure für Vertreter des unterprivilegierten, einfachen Volkes zu halten. Dagegen spricht schon das Kaliber der Waffen, über die sie verfügen. Was ist eine Zwille gegen einen Deutz-Fahr Agrotron 9340 TTV Warrior? Selbst wenn der Fahrer ihn nicht selbst bezahlt hat, sondern aus EU-Fördermitteln… Um die mutmaßliche soziale Schicht dieser Akteure zu charakterisieren, gibt es weitere Hilfsmittel im geistigen Arsenal des Sozialismus. Ich schlage vor: die Arbeiter- und Bauernaristokratie.
Als Arbeiteraristokratie bezeichnete Friedrich Engels 1892 Arbeiter, die „es fertiggebracht (haben), sich eine verhältnismäßig komfortable Lage zu erzwingen, und diese Lage akzeptieren sie als endgültig.“[4] Um so mehr trifft das auf die deutschstämmigen Kernbelegschaften deutscher Auto‑, Chemie- und Betonkonzerne mit ihren weit überdurchschnittlichen Löhnen, Zulagen, Dienstwagen, Jahreswagen und sonstigen Privilegien zu. Wie alle Privilegierten fühlen sie sich ständig bedroht. Was ihre Privilegien bedroht, ist der seit 50 Jahren anhaltende Umbau der deutschen Wirtschaft von einer Industrie- zu einer Dienstleistungswirtschaft. Da sie nicht akzeptieren wollen, dass das ein im Rahmen der Weltwirtschaft unvermeidlicher Prozess ist, suchen sie ständig Sündenböcke, die sie für die „Deindustrialisierung Deutschlands“ oder „Amerikas“ verantwortlich machen können. Unter Anleitung von Figuren wie Trump, Bolsonaro und Alice Weidel finden sie die seit etwa 2014 am liebsten unter Umwelt- und Klimaschützerinnen sowie bei Umwelt- und Klimaschutzbehörden. Ihr Hauptmotiv ist Rachedurst. Sie fordern Rache dafür, dass die Produkte ihrer Arbeit, einst allseits bewundert und verehrt, als Natur- und Klimazerstörer in Verruf geraten sind. Die Konstellation ist ein sozialpsychologischer Klassiker, wenn es um die Erklärung von gruppenspezifischen Aggressionen und Gewaltexzessen geht.
Was ich hier aus aktuellem Anlass hinzufüge, ist die Bauernaristokratie. Damit meine ich Bauern, die eigentlich mittelständische Unternehmer sind, sich aber als Kampftruppe für Interessen von Großagrariern mobilisieren lassen, wie sie seit Kaisers Zeiten in deutschen Bauernverbänden dominieren. Doch auch der Einfluss von Landmaschinen‑, Öl- und Chemiekonzernen liegt hier auf der Hand; handelt es sich doch bei der konventionellen deutschen, französischen, niederländischen, spanischen Landwirtschaft um eine überwiegend staatlich finanzierte gefurchte Bühne, auf der eine große Produktpalette dieser Industrien auftritt und sich als Zauberwaffen inszeniert, die „uns alle“ täglich vor dem Hungertod retten. Ab und zu gestört von Umweltschützern, die auf merkwürdige Dinge wie Artenvielfalt, Tierwohl und sauberes Wasser Wert legen.
[1] Deutsche Umwelthilfe: Die Bedrohungen der DUH und meiner Person erreichen eine neue Intensität… Rundbrief an DUH-Unterstützer vom 11.7.2025
[2] Jürgen Resch: Druck machen! Wie Politik und Wirtschaft wissentlich Umwelt und Klima schädigen und was wir dagegen tun können. Ludwig Verlag, München 2023, S. 178–183
[3] Presseerklärung der DUH vom 26.1.2018
[4] F. Engels: Vorwort zu englischen Ausgabe der »Lage der arbeitenden Klasse«. (1892). In: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke (MEW), Band 22, S. 274.

The article highlights disturbing corporate tactics and potential fascist tendencies in Germany, focusing on attacks against environmentalists and democratic processes. It’s eye-opening to see how powerful interests can silence dissent.
Der erste vermutlich KI-erzeugte Linkspamming-Kommentar, der wirklich auf den Inhalt meines Artikels eingeht. Chapeau! Die Links habe ich allerdings entfernt, weil sie nichts mit dem Thema zu tun haben.
This article exposes the disturbing use of economic and violent tactics by German corporations to suppress environmental activism, framing it as a form of modern fascism. The detailed examples are chilling and reveal a systemic effort to intimidate critics.
Hervorragend analysiert! Diese Darstellung der gewaltsamen Aktionen der Bauern und der Strategien der deutschen Konzerne als faschistischen Tendenzen ist sehr aufschlussreich. Die Verbindung zwischen wirtschaftlicher Gewalt und offener Gewalttätigkeit ist keine leichte, aber die Argumentation ist überzeugend. Besonders interessant finde ich die Idee der „Arbeiter- und Bauernaristokratie als sozialer Träger dieses Phänomens. Sie zeigt, dass es sich nicht um reine Armut oder Ignoranz handelt, sondern um den Schutz privilegierter Positionen im Angesicht gesellschaftlicher Veränderungen. Diese Einordnung macht die Situation sehr komplexer und ernster. Es ist eine wichtige Diskussion, die offenbleiben sollte.Mercury Coder