„Das Kopftuch erzeugt eine Geschlechter-Apartheid.“ Wirklich?

Von Birgit Ebel und Carolin Meyer habe ich mich in eine Kopftuch­de­batte verwi­ckeln lassen. Dabei hat mir Carolin verschie­dene Artikel empfohlen, darunter ein Inter­view des Deutsch­land­funks mit der aus Jugosla­wien stammenden Aktivistin Zana Ramadani (7.4.2017).  Birgits Ausgangs­frage, entnommen dem Spiegel, war: Kann eine Feministin Kopftuch tragen? Ich hatte mit Ja geant­wortet. Der Fall Ramadani lädt zur Replik ein: Kann eine Feministin CDU-Mitglied sein? Jaa – wohl auch das. Ob ich mein erstes Ja aufrecht erhalten kann, steht aller­dings in Frage.

Ramadani kriti­siert scharf und völlig zurecht die konser­va­tive Strömung im Islam, die sich mit dem politi­schen Islamismus vermengt. Aller­dings steht diese Strömung nicht isoliert da, sondern es ist m. E. die arabi­sche und türki­sche Ausprä­gung der konser­va­tiven und natio­na­lis­ti­schen Welle, die zurzeit durch die ganze Welt läuft. Inter­es­sant ist dabei Ramadanis Beobach­tung, dass die konser­va­tiven Islam­ver­bände es geschafft haben, gerade bei den hier geborenen Migranten den Bezug zu den familiären Herkunfts­na­tionen zu ersetzen durch den Bezug zur Religion. Sie identi­fi­zieren sich also nicht als Deutsche und nicht als Türken, Syrer, Libanesen, Ägypter usw., sondern als Muslime. Und die Frauen benutzen als Zeichen dafür das spezi­elle Kopftuch, den Hijab. Das mag aber damit zusammen­hängen, dass die Migran­ten­kinder ohnehin Probleme mit ihrer Natio­na­lität haben, und dass die meisten arabi­schen Nationen sowie die Türkei gerade natio­nale Krisen erleben. In solcher Situa­tion bietet sich die Religion als identi­täts­stif­tender Ersatz an. Zumal wenn auch gerade keine glaub­wür­digen linken, oder demokra­tischen Visionen zur Verfü­gung stehen.

Kein Wunder also, dass wir auch die Feministin Ramadani nun in einer konser­va­tiven deutschen Partei wieder­finden.

Fragwürdig bleibt m. E. Ramadanis These, dass der Hijab eine Geschlechter-Apart­heid erzeuge, weil ein gesell­schaft­li­cher Zwang für Frauen, ihre Haare zu verhüllen, Frauen einem stärkeren Kleidungs­re­gime unter­werfe als Männer. Einmal setzt diese Sicht­weise voraus, dass ein solcher Zwang existiert, was nicht gesichert ist. Er dürfte in vielen Familien etwa in Ägypten existieren; in den meisten deutschen Migran­ten­fa­mi­lien aber nicht. Die Apart­heid in Südafrika war gesetz­lich vorge­schrieben und wurde von Polizei und Justiz durch­ge­setzt. Etwas Vergleich­bares gibt es beim Kopftuch nicht, nicht in Ägypten, nicht in der Türkei, schon gar nicht hier; wohl aber im Iran und in Saudi-Arabien.

Mein zweiter Einwand ist: Eine Ungleich­be­hand­lung von Männern und Frauen in Kleidungs­fragen existiert auch im Westen. Männer dürfen sich hier draußen (unter Umständen) auch mit freiem Oberkörper zeigen; Frauen dürfen das (in der Regel) nicht. Auch bei uns fühlen sich Frauen durch gesell­schaft­liche Konven­tionen und sogar durch das Gesetz gezwungen, einen Teil ihrer sexuellen Reize zu verhüllen. Dieses Grund­prinzip ist also weder mittel­al­ter­lich noch typisch islamisch. Der Streit geht nur darum, ob dazu außer den Brüsten auch Schul­tern, Hals und Kopfhaar gehören. Das macht einen Unter­schied, ja; aber soll der wirklich darüber entscheiden, ob jemand zur Partei der Freiheit oder zur Partei der Tyrannei gehört? Mir scheint, diesen Ball kann man flacher halten.

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

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