Finde die Wahrheit über Barschel, Diana, Möllemann und Haider

Uwe Barschel wurde ermordet.“ Prinzessin Diana, Jürgen Mölle­mann und Jörg Haider natür­lich auch. Oder: „Die wahren Hinter­gründe der Ereig­nisse sind geheim, und alle ‚offizi­ellen Versionen‘ sind gelogen.“ Gegen nervige Verschwö­rungs­theo­rien dieser Art hilft eine mittel­al­ter­liche Waffe – nämlich Ockhams Rasier­messer. (Dieser Artikel beruht auf einem Kapitel in meinem Buch.)

Der briti­sche Franzis­kaner und Philo­soph Wilhelm von Ockham hat vor 1350 einen Gütetest für Theorien entwi­ckelt und empfiehlt: Wenn dir zwei Theorien angeboten werden, um ein rätsel­haftes Phänomen oder Ereignis zu erklären, dann nimm die kürzere. Schon alleine deshalb, weil kürzere Theorien leichter falsi­fi­zierbar (wider­legbar) sind. Man nennt diese Faust­regel Ockhams Rasier­messer, weil sie den überflüs­sigen Theorie­schwanz einfach abschneidet. Kürzer heißt im Fall Barschel: Selbst­mord. Im Fall Diana: Unfall. Im Fall Mölle­mann: Selbst­mord. Im Fall Haider: Unfall. Alle diese Erklä­rungen haben den schla­genden Vorteil, dass sie keine externen Täter, Motive, Mitwisser und Vorbe­rei­tungen brauchen, die wiederum eine Fülle weiterer Fragen aufwerfen würden.

Außerdem spricht für die einfa­chen und offizi­ellen Erklä­rungen, dass sie viel wahrschein­li­cher sind als Mordtheo­rien, weil Selbst­morde und Unfälle viel häufiger vorkommen als Morde (faz​.net 4.9.2012; Wikipedia:Suizid). 2014 waren in Deutsch­land über 60 % aller Todes­fälle mit äußeren Ursachen Unfälle, über 30 % waren Suizide.) Auch in meinem Bekann­ten­kreis spiegelt sich das wider: Dort gibt es mindes­tens neun Personen, die Suizid begangen haben, und mindes­tens drei, die bei Unfällen gestorben sind, dazu noch etliche Bekannte zweiten Grades – aber niemanden, der vorsätz­lich getötet wurde. Ich ergänze also aus der eigenen Lebens­praxis eine weitere Faust­formel : „Von zwei Theorien wähle die, die eine Lösung enthält, die du aus eigener Erfah­rung kennst.“

Dem muss man nicht überall folgen, aber zumin­dest sollte man auf Folgendes Acht geben: Wenn eine Theorie einer unwahr­schein­li­chen Ursache wie Mord den Vorzug gibt, dann muss die Prüfung der angeführten Indizien (z. B. für Mord) beson­ders streng ausfallen. Und genau das ist in den zahllosen Artikeln, die Mordtheo­rien vertreten, praktisch nie der Fall. Statt­dessen konzen­trieren sie sich darauf, einzelne Indizien, die für Suizid oder Unfall sprechen, anzuzwei­feln.

Ein paar Details zu Barschel, Diana, Möllemann, Haider

Bei Barschel sprechen sowohl das Motiv als auch die Waffe eindeutig für Selbst­mord und gegen Mord. Er befand sich in einer klassi­schen Selbst­mord­si­tua­tion (Karriere geschei­tert, öffent­liche Schande, Ehren­wort gegeben und als Lügner ertappt). Ein überzeu­gendes Mordmotiv konnte dagegen niemand ermit­teln. Seine Waffe war eine eindeutig dokumen­tierte und bewährte Selbst­mord­waffe. Als Mordwaffe war sie untaug­lich, weil kein Mörder das Risiko einge­gangen wäre, dass das Opfer recht­zeitig entdeckt wird und überlebt.

Bei Prinzessin Diana sprechen alle Umstände für einen Unfall: Der Fahrer war betrunken, kein ausge­bil­deter Fahrer, ist viel zu schnell gefahren, die Insassen waren nicht angeschnallt. Dass ein Atten­täter vor (!) dem rasenden Auto herge­fahren ist, kann praktisch ausge­schlossen werden.

Bei Mölle­mann gab es, wie bei Barschel, ein klares Selbst­mord­motiv (Karriere geschei­tert, öffent­liche Schande) und eine eindeu­tige Selbst­mord­waffe (der eigene Fallschirm), die als Mordwaffe kaum prakti­zierbar gewesen wäre.

Bei Haider sprachen alle Umstände für einen Unfall (Fahrer war betrunken, ist viel zu schnell gefahren); hier kam als zweite Möglich­keit noch ein bedingt vorsätz­li­cher Selbst­mord in Frage (wegen Bezie­hungs­krach). Für einen Mord gab es weder ein akutes Motiv noch auch nur den Schatten einer techni­schen Möglich­keit. Haider hat wirklich alles getan, um Mordtheo­rien vorzu­bauen – doch vergeb­lich: Wenn beson­ders umstrit­tene oder verehrte Promi­nente vorzeitig sterben, ist das Bedürfnis nach Mordtheo­rien so groß, dass sie selbst in diesem Fall aus dem Hut gezau­bert wurden.

Der Egoismus der Wichtigtuer

Wilhelm von Ockham hat offenbar nicht mit dem Egoismus von Recht­ha­bern und Wichtig­tuern gerechnet. Die leich­tere Falsi­fi­zier­bar­keit kurzer Theorien ist zwar für die Mensch­heit von Vorteil, weil falsche Erklä­rungen dadurch schneller getilgt und durch bessere ersetzt werden können; für die Vertreter dieser Theorien ist sie jedoch von Nachteil. Je kompli­zierter eine Verschwö­rungs­theorie ist, desto schwerer ist sie zu wider­legen, desto dogmen­ar­tiger wird sie, und desto länger können sich ihre Vertreter damit wichtig tun.

Sind Verschwörungen eine einfache Lösung?

Hier höre ich jedoch den Einwand, dass viele Verschwö­rungs­theo­rien eine einfache Lösung in der komplexen Welt anbieten: Schuld an allem Unglück dieser Welt ist stets eine kleine und geheime Gruppe von Insidern, Illumi­naten, Freimau­rern, jüdischen Bankiers, CIA-Agenten, was auch immer. Spricht also Ockhams Rasier­messer nicht sogar eher für solche Theorien?

Nein, dieser Schluss wäre ein Missbrauch des Messers. Denn Bruder Wilhelm hat einfa­chere Theorien deshalb vorge­zogen, weil sie leichter zu wider­legen sind. Die Illumi­na­ten­ge­schichte ist aber gerade nicht einfach zu wider­legen, sie ist überhaupt nicht zu wider­legen, da sie mit einer per Defini­tion äußerst unbekannten Varia­blen arbeitet. Die Schul­digen sind stets ein geheimer Zirkel, deshalb weiß man nichts Näheres über sie, man kann sie nicht unter­su­chen, nichts beweisen und nichts wider­legen. Die vermeint­lich einfache Erklä­rung ist in Wirklich­keit überhaupt keine Erklä­rung, mit der man wissen­schaft­lich arbeiten kann. Ich finde solche Erklä­rungen auch persön­lich sehr unbefrie­di­gend, da sie letzt­lich alles im Unklaren und Geheim­nis­um­wo­benen lassen.

Verein­facht es die Welt, wenn man die Vielfalt und Komple­xität der Motive und Inter­essen von 7 Milli­arden Menschen durch eine geheime Weltre­gie­rung ersetzt, die aus hundert Köpfen besteht und mit Hilfe von Strahlen oder Chemi­ka­lien alle Menschen manipu­liert? Reduziert man mit dieser Annahme wirklich die Zahl der ungeklärten Fragen? Das bezweifle ich, denn bei mir wirft eine solche Annahme sofort ganz viele Fragen auf:

  1. Wann und wie ist die Weltre­gie­rung entstanden?
  2. Wie sah die Welt vorher aus?
  3. Wie wurden die Mitglieder der Weltre­gie­rung rekru­tiert? Wie werden sie heute rekru­tiert, wenn einzelne Mitglieder sterben? Oder sind sie unsterb­lich?
  4. Können Mitglieder ausge­schlossen werden? Werden sie getötet, wenn sie sich falsch benommen haben? Muss also jeder dort Angst haben, von seinen Kumpanen getötet zu werden?
  5. Da das sehr macht­geile Menschen sein müssen: Wie gehen sie mit internen Konkur­renz­kämpfen um? Wie verhin­dern sie, dass einer von ihnen die komplette Macht für sich alleine anstrebt?
  6. Wie können sich hundert Menschen über Millionen von Problem­fel­dern infor­mieren und Millionen von Entschei­dungen fällen, die jeden Tag, jede Stunde, jede Minute irgendwo auf der Welt getroffen werden müssen?
  7. Woran orien­tieren sie sich bei diesen Entschei­dungen?

Die Fragen 6 und 7 zeigen vielleicht am deutlichsten, dass es die einfa­chere Theorie ist, wenn man annimmt, dass diese Millionen von Entschei­dungen von den jeweils betrof­fenen Menschen vor Ort getroffen werden, und dass sich jede* dabei an ihren eigenen Motiven und Inter­essen orien­tiert.

Ein Duckmäuser- und Dünkeldogma

Im Hinter­grund der Fälle Barschel usw. stehen die Dogmen “An allem sind die Juden (Freimaurer, Illumi­naten…) schuld” und “Alle offizi­ellen Erklä­rungen sind Lügen”. Das sind typische Duckmäu­ser­dogmen: Sie wollen uns sagen, dass es sinnlos sei, sich selbst zu infor­mieren, sich eine eigene Meinung zu bilden, diese zu äußern und irgendwo Einfluss zu nehmen. Denn “in Wirklich­keit” bestimme ohnehin ein geheimer Zirkel alles, und alles, was wir lesen, hören, denken und sagen, werde von denen gesteuert. Die Dogmen richten sich also gegen die Grund­lagen von Demokratie,  Parti­zi­pa­tion und Meinungs­frei­heit.

Zugleich sind es Dünkel­dogmen, denn ihre Vertreter gehen davon aus, dass sie selbst – und ein kleiner Zirkel, dem sie angehören, die Aluhut­träger – sich vor der Manipu­la­tion durch Strahlen, Chemi­ka­lien o. ä. schützen und ihre Unabhän­gig­keit von der geheimen Weltre­gie­rung wahren könnten. Während alle anderen – und beson­ders dieje­nigen, die ihren Theorien wider­spre­chen – fernge­lenkt seien, also nicht ernst zu nehmen. Inter­es­sant sind dabei die Paral­lelen zwischen den Aluhut­trä­gern und den Illumi­naten, von denen sie dauernd faseln. Sind sie vielleicht selbst die Verschwörer?

Mehr über lustige und weniger lustige Verschwö­rungs­theo­rien gibt es bei Hoaxilla und Der Goldene Aluhut.

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

Ein Gedanke zu „Finde die Wahrheit über Barschel, Diana, Möllemann und Haider“

  1. [Ein unter Pseud­onym einge­sandter Kommentar mit faschis­ti­schem Vokabular wie “Volks­zer­treter”; hier der Anfang des weitschwei­figen Textes als Kostprobe. JJK]

    Das Internet ist mittler­weile von allen Wahrheiten die keiner wissen soll gesäu­bert. Bricht die Wahrheit dennoch hervor wird sie umgehend als Verschwö­rungs­theorie dekla­riert und der Überbrin­gende als Volldepp darge­stellt.
    Es gab vor ein paar Jahren ein “Zeitfenster” zu dem man viel Wahrheit im Internet finden konnte – vor der großen Säube­rung /​ Zensie­rung.
    Jetzt kommt man, gibt man in Google ein “Mölle­mann wurde ermordet”, auf Seiten wie diese, die einem auf extrem dümmliche Art und Weise verkaufen wollen wie Dinge passiert sind und daß natür­lich Mossad-Morde oder die Besei­ti­gung unlieb­samer Menschen durch andere “Organi­sa­tionen” alles Hirnge­spinste sind.
    Nicht denken soll der Arbeits­sklave, nur Arbeiten, alles glauben was man auf Propa­ganda-Erzie­hungs­seiten wie diesen schreibt und gefäl­ligst das Maul halten und nicht durch das Verbreiten der Wahrheit die Volks­zer­treter und Deutsch­land-Hasser/-Regie­renden unnötig beschäf­tigen oder womög­lich noch andere schla­fende Volks­ge­nossen aufwe­cken.

    Es gibt ein Sprich­wort: Wenn Du wissen willst, wer Dich beherrscht, finde heraus, wen Du nicht kriti­sieren darfst…

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