Der konservative Katechismus des Technokraten Bolz

Der konser­va­tive Medien­wis­sen­schaftler Norbert Bolz agitierte in seinem Buch »Die Avant­garde der Angst« gegen die apokalyp­tische Religion der Klima­schützer. Der »Freitag« veran­stal­tete ein Streit­ge­spräch zwischen Bolz und dem Polito­logen Albrecht von Lucke (3. 12. 2020). Der Fridays-for-Future-Bewegung, speziell Luisa Neubauer warf Bolz vor, als apoka­lyp­ti­sche Sekte aufzu­treten. Er selbst trat für die betonierte Religion der Natur­be­herr­schung ein.

Mit promi­nent platzierten kultur­pes­si­mis­ti­schen Sätzen wie »Wer in der Politik die Aufmerk­sam­keit der Wähler gewinnen will, muss Probleme erfinden«, begab Norbert Bolz sich in den Dunst­kreis der Klima­kri­sen­leugner. Die Prognosen der Klima­for­scher seien bloße Meinungen, weil die Wissen­schaft nichts über die fernere Zukunft komplexer und dynami­scher Systeme wisse. Als christ­li­cher Funda­men­ta­list kriti­sierte er das »perfekte religiöse Angebot« der Klima­schutz­sekte: »Sie verspre­chen im Gegen­satz zum Chris­tentum nicht das Heil, sondern malen das nahe Unheil an die Wand, um dann jedem Einzelnen zu sagen: Du kannst an der Rettung der Welt mitwirken! Du kannst Müll trennen, kein Fleisch essen, nicht mehr in den Urlaub fliegen…« Hier spießte er mit einigem Recht die Neigung der Klima­schützer zu symbo­li­schen Handlungen auf, die viel fürs persön­liche Image, aber oft wenig für die Atmosphäre errei­chen.

Hegemonie der Klimaschützer – wo ist sie?

Das eigent­lich Absurde an Bolz‘ Argumen­ta­tion ist der Wider­spruch, dass die von ihm an die Wand gemalte Hegemonie der Klima­schützer in den Medien keinen Klima­schutz bewirkt. Welches namhafte Kohle­kraft­werk wurde denn abgeschaltet? Das Durch­schnitts­ge­wicht der neu verkauften Autos: sinkt es (Tendenz Askese) oder steigt es (Tendenz Völlerei)? Die beheizte Wohnfläche pro Einwohner: wird sie kleiner oder größer? Die fossile Fraktion setzt sich weiterhin durch, ohne viel zu sagen. Leider lieferte Chris­tian Baron vom »Freitag« ein Beispiel, wie das funktio­niert. Er bedau­erte die Pendler, angeb­lich alles Arbeiter, die vielleicht in Zukunft eine CO2-Steuer auf die Fahrten ihrer »Klapper­kisten« zum Arbeits­platz bezahlen müssten. Nein, Herr Baron, nicht auf »Klapper­kisten«, sondern auf überschwere Autos; darum geht es dabei. Aber immer noch erwecken Journa­listen gerne den Eindruck, dass »sozial benach­tei­ligte« Arbeiter darauf angewiesen seien, mit tonnen­schweren 50.000-€-Suvs zur Arbeit zu fahren, während es sich die akade­mi­sche Bohème eben »leisten könne«, mit Fahrrad und U‑Bahn zu fahren. Immer noch ist der heilige Pendler der Popanz der deutschen PS-Religion. Das erklärt Bolz‘ Tiraden: Die Priester alter Kulte quengeln gern, wenn sie Konkur­renz bekommen.

Bolz bezeich­nete sich im Gespräch selbst als Techno­krat und sieht als Lösung »einzig und allein techni­sche Innova­tionen, die techni­sche Beherr­schung der Welt«. Auf der Gegen­seite sieht er den Gaia-Kult, »die Vereh­rung der Mutter Erde«, und beschwerte sich über Papst Franziskus, der dem grünen Programm zustimme. Inter­es­sant wäre die Frage an Bolz, ob er Windkraft, Solar­energie, E‑Autos, Pedelecs usw. nicht als Techniken ansieht. Vermut­lich deshalb nicht, weil das Techniken sind, die die Natur nicht beherr­schen, sondern ihr folgen, sich ihr fügen – und das scheint im konser­va­tiven Katechismus des Techno­kraten Bolz eine Sünde zu sein. Anschei­nend hat er seine postpu­ber­tären Allmachts­phan­ta­sien noch nicht abgelegt.


Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

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