„Die Pyramiden von Gizeh haben Außerirdische gebaut.“

Der Schweizer Hotelier und Religi­ons­stifter Erich von Däniken machte sich in den 1960er Jahren, als Raumfahrt und UFOs ein großes Thema waren, bekannt mit der steilen These, dass die Pyramiden von Gizeh, die Geogly­phen von Nazca und andere große Bauwerke der Frühge­schichte oder frühen Antike nur mit Hilfe hoch techni­sierter Außer­ir­di­scher hätten gebaut werden können. Die Menschen wären, so Däniken, mit ihren damaligen techni­schen Mitteln zu solchen Bauten gar nicht fähig gewesen. Diese Theorie sei hier nur als Beispiel für allerlei abstruse Gedan­ken­ge­bäude genannt, die Menschen im Lauf der Jahrhun­derte bereits ersonnen haben. Der Infor­ma­tiker Jürgen Beetz ist ein ganz beson­derer „Freund“ solcher Dogmen und hat eine Erwide­rung zu bieten: Rudis Teekanne.

Seit 2010 veröf­fent­licht Beetz philo­so­phi­sche und populär­wis­sen­schaft­liche Bücher, in denen er nicht nur die Welt der modernen Natur­wis­sen­schaften erläu­tert, sondern nebenbei auch Esote­ri­kern, Spiri­tisten, Okkul­tisten und anderen „Wissen­schafts­kri­ti­kern“ immer mal wieder auf die tönernen Füße tritt. Seinem neuesten Buch E = mc² /​ Physik für Höhlen­men­schen entnehme ich eine gedachte Replik auf (den dort nicht erwähnten) Däniken-Spruch. Beetz‘ Protago­nist, der Höhlen-Ingenieur Rudi Radlos, sieht sich in einer ähnli­chen Debatte mit dem Einwand konfron­tiert: „Aber es ist doch zumin­dest denkbar… beweise mir das Gegen­teil!“ Er antwortet: „Nein, wer eine Behaup­tung aufstellt, muss sie auch beweisen. Sonst wäre alles möglich. Ich behaupte zum Beispiel, dass um den Hunds­stern eine Teekanne aus Ton kreist, so wie ich sie in meiner Töpfer­werk­statt herstelle. Beweise mir das Gegen­teil!“

Dieser Konter geht auf den Mathe­ma­tiker und Philo­so­phen Bertrand Russell zurück und heißt deshalb auch „Russells Teekanne“. Natür­lich kommt in der gleichen Debatte, deren Thema ich hier lieber verschweige, auf die Frage, welche wissen­schaft­li­chen Belege es für die strit­tige These denn gebe, der Standard-Einwand: „Ach, die Wissen­schaft! Die kann auch nicht alles erklären. Die Wissen­schaft ist nichts anderes als eine Kette von Irrtü­mern.“ Das nächste Dünkel­dogma, und es ist, wie Beetz an mehreren Stellen seines Buches aufzeigt, beson­ders infam, nutzt es doch eine Selbst­kritik der (Natur-)Wissenschaftler schamlos aus, um ihnen daraus einen Strick zu drehen. Durch eine Kette von mehr oder weniger genialen Irrtü­mern, die die Wissen­schaftler selber immer wieder aufde­cken und korri­gieren, nähern sie sich an eine fundierte und belast­bare Beschrei­bung der Wirklich­keit an. Ganz anders als Däniken & Co., die sich statt­dessen von dem Krite­rium leiten lassen, welche These wohl am meisten Staub aufwir­beln und sich am besten verkaufen lassen wird.

Diese Zeilen sollen vor allem eine Leseemp­feh­lung sein. Jürgen Beetz schafft es in seinen locker geschrie­benen 300 Seiten, die komplette Physik vom Hebel­ge­setz über die Thermo­dy­namik, das Ohmsche Gesetz, die Spektral­farben bis hin zu Schrö­din­gers Katze (Quanten­physik) und zum Schwarzen Loch anschau­lich und allge­mein­ver­ständ­lich aufzu­blät­tern, wobei seine Höhlen­men­schen Rudi Radlos, Eddi Einstein, Siggi Spöken­kieker und Wilhel­mine Wicca immer wieder für witzige Einlagen und nachdenk­liche Momente sorgen.

Es war der unver­ges­sene Hoimar von Ditfurth, der sich in den 1970er Jahren in seinem ZDF-Magazin »Querschnitt« immer mal wieder mit Dänikens Dogmen herum­schlagen musste. Dänikens Jünger, die sog. Prä-Astro­nau­tiker, werden vermut­lich behaupten, dass sie für ihre Thesen durchaus wissen­schaft­lich haltbare Belege vorbringen können. Auch haben sie sich inzwi­schen auf kleinere Objekte verlegt wie den Alumi­ni­um­keil von Ajud – angeb­lich der Fuß eines extra­ter­res­tri­schen Raumschiffs – oder die Glühbirnen von Dendera. Nun gut – ich warte es ab. Die Kommen­tar­funk­tion ist scharf.

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

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