Höcke ist kein Nazi, sondern ein Faschist. Das ist schlimm genug.

Die AfD ist nach meinen Defini­tionen als Histo­riker keine Nazipartei, sondern eine Partei, die teilweise von Faschisten wie Björn Höcke und Alice Weidel beherrscht wird. Auch Höcke und Weidel sind keine Nazis, sondern Faschisten.

Damit meine ich: Sie streben mutmaß­lich eine Diktatur an, in der sie ihre politi­schen Gegner einsperren oder außer Landes jagen können. Nach dem Vorbild von Musso­lini in Italien oder Pinochet in Chile. Auch versu­chen sie mutmaß­lich, einzelne Anhänger dazu aufzu­wie­geln, dass sie einzelne ihrer Gegner ermorden oder Terror­m­orde an Unbetei­ligten begehen wie den von Magde­burg. Das sind zwei typische Merkmale des Faschismus. Sie treffen auf viele AfD-Mitglieder nicht zu. Wer die Grünen und Klima­schützer hasst, weil sie angeb­lich die deutsche Indus­trie zerstören, oder wer die seit den 1960er Jahren einge­tre­tene Immigra­tion nach Deutsch­land rückgängig machen will und deshalb AfD-Mitglied ist, ist konser­vativ oder reaktionär, natio­na­lis­tisch und rassis­tisch verblendet, natio­na­le­go­is­tisch und mensch­heits­feind­lich gesinnt. Das alles ist schlimm genug, wir müssen solche Positionen massiv bekämpfen; aber so lange diese Leute nicht syste­ma­tisch zur Gewalt greifen oder Gewalt­taten zuver­lässig bejubeln, sind sie keine Faschisten und schon gar keine Nazis.

Auch die Faschisten Höcke und Weidel, die das mutmaß­lich (und meist nicht öffent­lich) tun, sind keine Nazis. Als Histo­riker ist mir wichtig festzu­stellen: Nur die Nazis sind Nazis. Das Wort „Nazi“ bezieht sich auf ein konkretes histo­ri­sches Phänomen: auf die Anhänger der Nazipartei in Deutsch­land von 1919 bis 1945 und die Funktio­näre des deutschen Nazire­gimes von 1933 bis 1945. Viele davon blieben auch nach 1945 Nazis, soweit sie sich nicht zu ihrer früheren Schuld oder Mitschuld bekannten.  Auch deren direkte geistige Nachfolger können wir als Nazis (genauer: als Neonazis) bezeichnen. Die wesent­li­chen Verbre­chen des Nazire­gimes waren der Versuch, die Weltherr­schaft zu erringen, die Bereit­schaft, dafür jedes belie­bige Land mit Krieg zu überziehen, sowie der Versuch, sämtliche Juden Europas syste­ma­tisch zu ermorden. Nur wer diese beiden zentralen Verbre­chen der Nazis vertei­digt oder recht­fer­tigt oder das zweite davon abstreitet, kann plausibel als Nazi bzw. Neonazi bezeichnet werden.

Ich sehe auch agita­ti­ons­tech­nisch keine Notwen­dig­keit, Höcke als Nazi zu verleumden. Wenn wir klar und deutlich sagen, dass Höcke ein Faschist ist, ist unsere Agita­tion gegen ihn mutmaß­lich genau so wirksam. Und wir nutzen das Wort „Nazi“ nicht schon vor der Zeit ab. Es kann sein, dass wir es noch brauchen werden, um echte Nazis zu bezeichnen: Leute, die sich positiv aufs Nazire­gime von 1933–1945 beziehen.

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

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