Ist Trump ein Faschist, ein Demagoge oder ein Populist?

Jakob Augstein sagte im »Freitag« vom 10.11.2016, Donald Trump sei ein Faschist. Die meisten deutschen Beobachter bevor­zugten bislang das Epitheton Populist. Konrad Ege fand in der gleichen »Freitag«-Ausgabe die Bezeich­nung »reaktio­närer Demagoge«. Eigent­lich komisch, dass das gute alte Wort »Demagoge«, das doch schon das gleiche sagte, nur schärfer, durch das zweischnei­dige, weich­gespülte Wort »Populist« verdrängt wurde. Aber zunächst zum Faschisten. Hat Augstein Recht?

Augstein nennt folgenden Grund für seine Einschät­zung: Trump wurde von Bürgern gewählt, die Angst haben (was ich nicht bestreite) – und Bucharin habe gesagt, Bürger, die keine Angst hätten, wählten die Demokratie, Bürger, die Angst hätten, wählten den Faschismus. Das ist mir ein bisschen wenig an Begrün­dung, denn es ist nicht sicher, ob der kluge Kommu­nist Nikolai Bucharin das wirklich gesagt hat, und wenn, dann bezog sich sein Diktum auf seine Zeit, die 1920er Jahre, die Zeit Musso­linis.

Trump und die Diktatur

Ege liefert als Indiz für seine Einschät­zung vor allem Trumps offen zur Schau getra­genen Rassismus. Trump ist ein Rassist und Frauen­ver­ächter der übelsten Sorte, ohne Zweifel. Beides sind auch Indizien für Faschisten. Ein weiteres Faschis­mus­indiz ist die Tatsache, dass Trump eine hasserfüllte, rache­durs­tige, tenden­ziell gewalt­tä­tige Bewegung von Unter­stüt­zern heran­ge­züchtet und immer wieder aufge­wie­gelt hat. Deren T‑Shirt-Parole »Hillary for Prison« war ein ziemlich offenes Bekenntnis zur Diktatur – denn nur in einer Diktatur könnte ein Präsi­dent Trump seine Gegnerin, nur weil sie einen techni­schen Fehler gemacht und ein bisschen gelogen hat, ins Gefängnis werfen. Doch wie sieht Trumps persön­li­ches Verhältnis zur Diktatur und zur Gewalt aus? Er hat angedeutet, ein gegen ihn ausfal­lenden Wahler­gebnis nicht akzep­tieren zu wollen. Das ist ein modernes dikta­to­ri­sches Element, wie wir es aus Thailand, Brasi­lien, Venezuela, der Ukraine, der Türkei und anderen Ländern kennen: Ergeb­nisse von Wahlen werden nicht mehr akzep­tiert. Minder­heiten mobili­sieren offen und unter Einsatz von Gewalt zum Sturz mehrheit­lich gewählter Präsi­den­tinnen und zur Auflö­sung mehrheit­lich gewählter Parla­mente. Ein gefähr­li­ches Unding, das dabei ist, weltweit die Demokratie zu zerstören – oft im Namen des Kampfes gegen Korrup­tion. Trump bedient sich skrupellos aus diesem Arsenal.

Trump und die Gewalt

Sein Spruch, er könne auf der 5th Avenue einen Menschen erschießen, es würde seiner Popula­rität nichts anhaben, hat Ähnlich­keiten mit einer Rede, die Benito Musso­lini im Januar 1925 im italie­ni­schen Parla­ment gehalten hat. Damals hatte die Ermor­dung des sozia­lis­ti­schen Abgeord­neten Giacomo Matteotti durch Faschisten eine Welle von Protesten ausge­löst. Musso­lini würgte die Welle ab, indem er sich offen zu diesem Mord bekannte. Er sagte sinngemäß: Ich bin ein Mörder, und das ist gut so. Die Frech­heit seines Auftre­tens entwaff­nete seine Gegner und schloss die Reihen seiner Anhänger. Sie folgten dem stärksten und gefähr­lichsten Schläger. Trump hat mit seinem größen­wahn­sin­nigen Spruch an den gleichen Herrschafts­me­cha­nismus angeknüpft. Aber es gibt einen wichtigen Unter­schied: Musso­linis Leute hatten wirklich Gegner ermordet. Trumps Leute haben das (noch) nicht getan. Obwohl die Ermor­dung linker Demokraten auch in Usa eine unselige Tradi­tion hat – ich erinnere an Abraham Lincoln, Joe Hill, Martin Luther King und Harvey Milk sowie den Mordver­such an Gabri­elle Giffords.  Das bedeutet: Der Schau­spieler Trump spielt einen Faschisten inklu­sive der typisch faschis­ti­schen Verherr­li­chung des Mordes, aber er setzt das Spiel bislang nicht in die Tat um. Die grenzen­lose Bewaff­nung seiner Anhänger, die er anstrebt, hat aller­dings das Zeug dazu, diese Versäum­nisse nachzu­holen.

Was ist der Unterschied zwischen den Begriffen Populist und Demagoge?

Platt gesagt: Der Begriff Demagoge stammt aus der Zeit, als wir noch wussten und anderen zu sagen trauten, was richtig und was falsch ist; er stammt aus der Antike und war im Zeitalter der Progres­sive („Moderne“) gebräuch­lich, als es noch eine klare Vorstel­lung von Sendern und Empfän­gern gab. Demagoge heißt Volks­ver­führer. Wer das Wort benutzt, maßt sich an zu wissen, dass das, was der Demagoge dem Volk erzählt, falsch ist für das Volk. Und er glaubt, dass das Volk nicht von selbst auf diese schlechten Ideen kommt, sondern sie von Demagogen übernimmt.

Der Begriff Populist lässt dagegen offen, wer der Urheber der schlechten Ideen ist: Ist es der populus, das Volk, der »kleine Mann«, die »kleine Frau« (»Women vote Trump«), die sie sich ausdenkt, und der Populist, der sie übernimmt und verstärkt, um sich dem Volk zu verkaufen? Oder ist es der Populist, der die schlechten Ideen entwi­ckelt und dem »Volk, dem großen Lümmel« (Heine) einflüs­tert bzw. einbrüllt? Meist ist eher der erste Aspekt gemeint, wenn jemand jemanden einen Populisten nennt.

Der Begriff Populist nimmt zwar besser als der vielleicht veral­tete Begriff Demagoge die Dialektik auf, die zwischen publi­kums­wirk­samen Medien oder Figuren und ihrem Publikum herrscht – so lange seine Benutzer nicht ganz unter den Tisch fallen lassen, dass ein Trump sehr wohl seinen Anhän­gern bestimmte Ideen in den Kopf setzt. Aber proble­ma­tisch wird das plurale („postmo­derne“) Schil­lern dieses Begriffs vor allem dann, wenn auch im Unklaren bleibt, wer eigent­lich Recht hat: die Rassisten, Natio­na­listen, Milita­risten, Frauen­ver­ächter, Kriegs­hetzer, Waffen­fe­ti­schisten, Umwelt­säue, Möchte­­gern-Dikta­toren – oder die Solida­ri­schen, Pazifisten, Plura­listen, Emanzi­pierten, Umwelt­schützer, bunten Demokraten? Es tut mir leid, wenn ich störe, aber ich weiß einfach (für mich jeden­falls), dass Hillary Clintons Versuch einer Gesund­heits­re­form richtig war, dass Obamas Versuche, Guanta­namo zu schließen und den Waffen­kult einzu­dämmen, richtig waren, dass sein Vertrag mit dem Iran richtig ist, dass Klima­schutz richtig und bitter nötig ist, vor allem und als aller­erstes in Usa. Und dass demzu­folge alle Positionen, die Trump in diesen Fragen vertritt, falsch sind – im Sinne von: schäd­lich für mich und meine Freunde, schäd­lich wahrschein­lich für die Mehrheit der Mensch­heit.

»Volk« versus »aufgeklärtes Bürgertum«

Beide Begriffe, Populist und Demagoge, beziehen sich implizit auf den Begriff »Volk« – einmal latei­nisch, einmal griechisch. Könnte es sein, dass genau da ein gemein­samer Denkfehler verborgen liegt? Konstru­ieren nicht beide Begriffe ein Volk, das von rassis­ti­schen, frauen­ver­ach­tenden, antibunten Hassat­ta­cken und dikta­to­ri­schen Allmachts­phan­ta­sien heimge­sucht wird – und setzen dem »Volk« ein »aufge­klärtes Bürgertum«, eine Elite also entgegen, in der die solida­ri­schen, pazifis­ti­schen, ökolo­gi­schen, demokra­ti­schen Gegen­po­si­tionen verortet sind? Wie kommen wir eigent­lich darauf, dass »das Volk« immer die anderen sein sollen? Spukt uns da Sartres Diktum »Die Hölle, das sind die anderen« im Kopf herum? Halten zu Gnaden: Ich bin keine Elite – wer sollte mich ausge­wählt haben? Auch ich bin das Volk.* In diesem Sinne ist das Volk für Klima­schutz, gegen den Waffen­kult und gegen eine antim­e­xi­ka­ni­sche Mauer – letzteres sogar mehrheit­lich in Usa.

*Diese Sicht­weise verdanke ich meiner Freundin Martina Haase aus Aachen.

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

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