„Konjunktur schadet der Wirtschaft.“

Abstruser geht’s nimmer: Die Tages­zei­tung Die Welt malte im April 2015 in einem Video einen „Senioren-Crash“ an die Wand, der angeb­lich deshalb bevor­steht, weil so viele Senioren ihr Geld nicht mehr sparen, sondern ausgeben. Im Film heißt es wörtlich: „Das ausge­ge­bene Geld wird dem Markt entzogen.“ Bitte was? Wenn Senioren ihr Geld in den Touris­mus­markt stecken oder auf dem Gemüse­markt ausgeben, um sich was Leckeres zu kochen, dann entziehen sie dem Markt das Geld? Ja, die meinen das ernst. Gemeint ist nämlich der Finanz­markt. Wenn der Konsum­gü­ter­markt floriert, wenn Waren produ­ziert und verkauft werden, wenn Leute Arbeit und Einkommen haben, dann ist das alles schlecht für die Broker. Die haben dann dieses Geld nicht mehr als Spiel­geld für ihr Monopoly zur Verfü­gung.

Brauchte noch jemand einen Beleg für Bertolt Brechts rheto­ri­sche Fragen: „Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ (Aus Vorsicht sei hier aber angemerkt: Brecht formu­lierte mit diesen Fragen nicht seine eigene Moral als Kommu­nist, sondern die Verbre­cher­moral des Macheath [Mackie Messer] in der “Dreigro­schen­oper”. Macheath’ Schluss­fol­ge­rung, dass Einbrüche und Morde moralisch erlaubt seien, ist nicht die des Autors.)

Immerhin liefert das Gerede vom “Senioren-Crash” vielleicht einen guten Hinweis darauf, wie wir Aktien und Banken, diese Geißeln der Mensch­heit, wieder loswerden könnten. Einfach alles Geld, das herein­kommt, sofort wieder ausgeben! Dann ist der ganze Finanz­wahn vielleicht genau da, wo viele ihn haben möchten: am Ende.

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

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