AfD-Mitglieder aus Fußballvereinen ausschließen? Besser nicht.

“Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbre­chen.” (Dogma)

Die Kampf­pa­role der deutschen Antifa-Szene hat die Form eines Basta-Dogmas. Sie diente 201718 dazu, Partei­tage der natio­nal­kon­ser­va­tiven Partei AfD zu blockieren. Einen merkwür­digen Höhepunkt erlebte sie Anfang 2018 in dem Streit um den Fußball­verein Eintracht Frank­furt. Der Vereins­ma­nager Peter Fischer hatte gefor­dert, alle AfD-Mitglieder pauschal aus dem Verein auszu­schließen, mit dem Hinweis auf einen Satzungs­ar­tikel, der rassis­ti­sches Verhalten als vereins­schä­di­gend einstuft. Als er dafür angegriffen wurde, traten ihm organi­sierte Antifa­schisten zur Seite und begrün­deten das u. a. mit dem hier unter­suchten Dogma. Ich wider­spreche mit zwei Einwänden.
Der Begriff Faschismus in dem Spruch schil­lert zwischen zwei Bedeu­tungs­ebenen hin und her: Es gibt den Faschismus als politi­sche Strömung, als Partei und terro­ris­ti­sche Gruppe, und es gab den Faschismus an der Macht, als staat­lich organi­sierte, terro­ris­ti­sche Diktatur. Deshalb ist es proble­ma­tisch, faschis­ti­schen Gruppen (erste Ebene) Verbre­chen anzulasten, die eine faschis­ti­sche Staats­macht (zweite Ebene) begangen hat. Auch wenn wir nur die erste Ebene betrachten, weil wir gegen­wärtig nur mit ihr zu tun haben, müssen wir zwischen Worten und Taten unter­scheiden. Das wird deutlich, wenn ich den Spieß herum­drehe. Einmal angenommen, lieber Antifa­schist, du hast in einer eskalie­renden Kampf­si­tua­tion ausge­rufen: „Alexander Gauland kann ich mir gut im Kochtopf jener schwarzen Kanni­balen vorstellen, die er im Innern Afrikas vermutet.“ Möchtest du in einem solchen Fall juris­tisch genau so behan­delt werden wie ein schwarz gewan­deter Terro­rist, der versucht hat, Gauland zu entführen und tatsäch­lich in kochendes Wasser zu stecken? In so einem Fall wird dir der Unter­schied zwischen gewalt­hal­tiger Meinung und ausge­führtem Gewalt­ver­bre­chen ziemlich wichtig sein. Diesen Unter­schied müssen wir als Anhänger des Rechts­staats aller­dings auch unseren faschis­ti­schen und national¬konservativen Gegner*n zubil­ligen. Insofern ist Faschismus eben doch eine Meinung und kein Verbre­chen. Er wird erst zum Verbre­chen, wo Leute anfangen, ihre Gewalt­phan­ta­sien in die Tat umzusetzen – sowie in Grenzen dort, wo Sympathisant*en der Verbre­cher* Gewalt­taten öffent­lich lobpreisen und zur Nachah­mung empfehlen.

Sind AfD-Mitglieder Faschisten?

Mein zweiter Einwand ist die Frage, ob wir AfD-Mitglieder oder gar AfD-Wähler* pauschal als Faschist*en oder Nazis bezeichnen dürfen oder sollten. Seit vielen Jahren vertrete ich eine Faschis­mus­de­fi­ni­tion, in der die Gewalt und beson­ders der Mord eine zentrale Rolle spielt. Zentrales Element des Faschismus ist nach meiner Defini­tion immer die offene Verherr­li­chung des Mordes an politi­schen Gegnern und die offene Verherr­li­chung von Kriegs­ver­bre­chen an Menschen anderer Natio­na­lität, Religion, Herkunft usw. Als Histo­riker muss ich darauf bestehen, den Faschismus über ein Element zu definieren, das die Faschist*en bei ihrem Auftreten nach dem Ersten Weltkrieg neu in den politi­schen Diskurs einge­bracht haben.  Die bloße Bereit­schaft, Krieg gegen andere Länder und Völker zu führen, oder das Anstreben einer Diktatur reichen dafür nicht aus, denn diese Elemente hat es schon im alten Rom gegeben, und es gab sie 1914–1918 immer noch. Politi­sche Morde hat es im alten Rom ebenfalls gegeben (ich erinnere an die Proskrip­ti­ons­listen von Marius und Sulla), aber sie wurden damals nicht verherr­licht, sondern als ein vorüber­ge­hend notwen­diges Übel gerecht­fer­tigt. Das ist der Unter­schied: Für die italie­ni­schen, ungari­schen und deutschen Faschist*en des Jahres 1919 waren politi­sche Morde kein Übel, sondern vereh­rungs­wür­dige Helden­taten. Sie konstru­ierten ihre gesamte Ideologie und Propa­ganda um den Mord herum. Der Mord war der Kern des Faschismus.

Diesen Maßstab möchte ich auch an heutige Faschis­mus­ver­däch­tige anlegen. Verherr­li­chen Gauland und Höcke den Mord an politi­schen Gegner*n? Schon dieser Nachweis ist nicht leicht zu erbringen. Persön­lich schätze ich die beiden als Faschisten ein, weil sie eine faschis­tisch geprägte Klientel gezielt mit agita­to­ri­schen Vorlagen belie­fern, die die Schläger* und Möchte­gern-Schläger* im Hinter­grund selber zuende denken dürfen. Andreas Kemper vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozial­for­schung hat 2016 den faschis­ti­schen Sprach­ge­brauch Höckes unter­sucht.  Bei Beatrix von Storch oder Frauke Petry ist das nicht möglich, da beide sich stets ziemlich vorsichtig geäußert haben; und erst recht natür­lich bei irgend­einem unbekannten AfD-Mitglied. Letzteres können wir nur auf die Positionen festlegen, die in offizi­ellen Partei- und Wahlpro­grammen der AfD auftreten. Wir können es nicht haftbar machen für einzelne Äußerungen von Gauland und Höcke, wie es der Aufruf der Arbeits­ge­mein­schaft gegen Rassismus Rhein-Main tut, weil wir nicht wissen, ob das Mitglied diese Meinungen teilt.

Storchs viel zitierte Äußerung über einen Schieß­be­fehl an der Grenze verherr­licht solche Kriegs­ver­bre­chen nicht, sondern recht­fer­tigt sie nur, wobei sie sich ausdrück­lich auf das staat­liche Gewalt­mo­nopol bezieht, das alle Staaten, auch die demokra­tischsten, für sich in Anspruch nehmen. Jeder Staat darf seine Gesetze im rechts­staat­li­chen Rahmen notfalls mit Gewalt durch­setzen. Storchs Position ist natio­na­lis­tisch, reaktionär und teilweise rassis­tisch, weil sie eine natio­na­lis­tisch bis rasstis­tisch geprägte Geset­zes­lage voraus­setzt, und muss als solche entschieden bekämpft werden. Aber sie ist nicht faschis­tisch; und sie ist eine Meinung, die von der Meinungs­frei­heit des Grund­ge­setzes gedeckt ist. Der Versuch, solche Meinungen zu unter­drü­cken und ihre Vertreter* in einen Paria-Zustand zu versetzen, ist wahrschein­lich kontra­pro­duktiv; denn er bestä­tigt viele Nationalist*en und Faschist*en in ihrem Glauben, dass Deutsch­land kein freies Land sei, dass man hier bestimmte Meinungen nicht äußern dürfe. Er hebt diese Positionen gewis­ser­maßen aus dem Meinungs­streit heraus und gibt ihnen in den Köpfen der Anhänger* den Nimbus von mutig ausge­spro­chenen, nur mühsam unter­drückten Wahrheiten. Und er verdun­kelt jene Menschen­rechte, z. B. das Diskri­mi­nie­rungs­verbot des Artikels 3 Abs. 3 Grund­ge­setz, die wir doch gegen Faschist*en und andere Dikta­tur­fans vertei­digen wollen.

“Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstam­mung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politi­schen Weltan­schauung benach­tei­ligt oder bevor­zugt werden.” (Grund­ge­setz Art. 3 Abs. 3)

Debatten um diesen Punkt neigen dazu, in Extrem­po­si­tionen zu zerfallen und in alter, manich­ä­isch-maois­ti­scher Manier Popanze aufzu­bauen: Entweder du kämpfst mit uns gegen die Faschistin v. Storch, oder wir behan­deln dich als Unter­stützer der Faschistin v. Storch. Was für ein hohles Blech­ge­schepper! Im Getöse geht unter, dass es viele gute Gründe gibt und dringend notwendig ist, deutsch­na­tio­nale, natio­nal­kon­ser­va­tive oder natio­na­lis­ti­sche Agita­tion politisch zu bekämpfen. Um mit gutem Beispiel voran­zu­gehen, schicke ich gleich die Dogmen­kritik zum deutsch­na­tio­nalen Leitspruch „Afrika­ne­rinnen bedrohen das christ­liche Abend­land“ hinterher. Mein Ansatz ist dort, Natio­na­lismus als unmora­lisch und unchrist­lich anzupran­gern. Meine Kritik am konser­va­tiven Dogma „Der Mensch ist des Menschen Wolf“ geht dagegen einen Weg über die Natur­wis­sen­schaft.

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

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