Claude Monet: Impression

Claude-Monet-Allee statt Oswald-Boelcke-Allee

Eine Rede, gehalten am 9. Oktober 2021 in Nörve­nich bei Düren

Die Straße zum Flieger­horst Nörve­nich wurde nach Oswald Boelcke benannt. Genau wie das Jagdbomber­geschwader, das seit 1958 auf dem Flieger­horst Nörve­nich statio­niert ist und das seit 1961 den, wie es so schön heißt, »Tradi­ti­ons­namen Boelcke« trägt. Boelcke war einer der drei bekann­testen deutschen Kampf­pi­loten des I. Weltkriegs – neben Immel­mann und Richt­hofen.

Bild: Von Claude Monet – wartburg​.edu, Gemein­frei, https://​commons​.wikimedia​.org/​w​/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​?​c​u​r​i​d​=​5​5​0​4​881

Er war seit 1915 in Douai in Nordfrank­reich statio­niert, einer Stadt, die im I. Weltkrieg schwer zerstört und evaku­iert wurde. Er gehört zu denen, die den Luftkampf zwischen Jagdflug­zeugen erfunden haben. Kaiser Wilhelm II. verlieh ihm den Orden »Pour le Mérite«. 1916 stürzte er in Frank­reich ab. Alsbald entstand bei den Deutsch­na­tio­nalen ein Kult um die drei Kampf­pi­loten. Sie waren die Elite des deutschen Milita­rismus, wurden in populären Romanen und Filmen verherr­licht. Die Nazis griffen diesen Kult begierig auf. Hitler und vor allem Hermann Göring, der die Luftwaffe der Nazis aufbaute, liebten und verehrten Boelcke, Immel­mann und Richt­hofen. In den 1930er Jahren wurden in Deutsch­land zahlreiche Straßen und Kasernen nach ihnen benannt, und die meisten davon tragen diesen Namen bis heute. Nörve­nich verdankt den Namen Boelcke dem ehema­ligen Nazige­neral Josef Kammhuber, der 1961 als Inspek­teur der Luftwaffe dem hiesigen Jagdbom­ber­ge­schwader den Namen gab.

»Nic Knatterton & die Marme­la­den­fa­brik« haben eben gesungen: »Warum machen wir immer weiter?« Hier ist mit Händen zu greifen, was sie meinen: Noch 2012 hat die Gemeinde Nörve­nich diese Straße nach diesem Baller­mann der Lüfte benannt, der es als seine Pflicht und Lebens­auf­gabe ansah, Franzosen und Engländer zu töten. Warum machen wir immer weiter mit diesem Irrsinn?

Wir hier haben beschlossen, damit aufzu­hören. Wir benennen die Straße um. Ihr Name sei künftig: Claude-Monet-Allee! Wir wollen sie dem franzö­si­schen Maler Claude Monet widmen, der von 1840 bis 1926 lebte und den Impres­sio­nismus mitbe­grün­dete. Warum gerade Monet? Das hat einmal mit Frank­reich zu tun. Boelcke half mit, Nordfrank­reich zu besetzen, und tötete Franzosen. Wir möchten statt­dessen, und um die deutschen Untaten in Frank­reich zu kontern, an einen großen Franzosen erinnern, der die europäi­sche Kultur mitge­prägt hat wie nur wenige. Und es hat mit Kaiser Wilhelm II. zu tun, der einer der ersten war, der den Kult um Boelcke pflegte. Wilhelm II. inter­es­sierte sich sehr für Kunst und liebte es, sich in Angele­gen­heiten der Kunst persön­lich einzu­mi­schen. 1901 eröff­nete er eine »Sieges­allee« im Berliner Tiergarten und hetzte bei dieser Gelegen­heit gegen die »sogenann­ten modernen Richtungen und Strömungen« der Kunst, nament­lich die Impres­sio­nisten, die »in den Rinnstein« nieder­ge­stiegen seien und das Elend noch scheuß­li­cher darstellten, als es sei. Das richtete sich vor allem gegen die deutschen Impres­sio­nisten, die Maler der Berliner Seces­sion um Max Lieber­mann und Max Slevogt. 1909 setzte Wilhelm II. Hugo von Tschudi als Direktor der Natio­nal­ga­lerie ab, weil dieser Bilder von Monet und anderen franzö­si­schen Impres­sio­nisten aufge­kauft und ausge­stellt hatte. Wenn wir die Allee jetzt Claude-Monet-Allee nennen, können wir Wilhelm II. und seine konser­va­tiven Freunde noch nachträg­lich ein wenig ärgern.

Claude Monet Frau mit Sonnenschirm
Claude Monet: Frau mit Sonnen­schirm. Von Claude Monet – Réunion des musées nationaux, Gemein­frei, https://​commons​.wikimedia​.org/​w​/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​?​c​u​r​i​d​=​1​1​5​8​5​958

Was aber fanden diese Leute an den Bildern Monets so unerträg­lich? Dazu müssen wir einen Blick, nein: viele Blicke auf Monets wunder­bare Bilder werfen und zum Vergleich auch einen kürzeren Blick auf Wilhelms Sieges­allee, die im Berliner Volks­mund »Puppen­allee« genannt wurde. Monets Bild »Impres­sion, Sonnen­auf­gang« gab der ganzen Kunst­rich­tung ihren Namen. Es zeigt eine Szene im Hafen von Le Havre: einen in vielen hellen Farbtönen zwischen grau und rosa schim­mernden, dunstigen Morgen­himmel über Schiffs­masten und Schorn­steinen, die orange Sonnen­scheibe und ihre Refle­xion im Wasser, links davon die schwarze Kontur eines Ruder­bootes mit Ruderer. Er malte ein »Frühstück im Grünen«, »Frauen im Garten«, die »Frau mit Sonnen­schirm«: Sie steht hoch aufge­richtet auf einer Blumen­wiese und lässt sich den Sommer­wind durch den weiten weißen Rock wehen. Das Ganze aus leichter Unter­sicht – man kann sich vorstellen, wie der Maler auf dem Bauch im Gras lag, um diese schöne Aussicht zu genießen. Bäume, Wasser­flä­chen, Seerosen, auch dampfende Lokomo­tiven im Bahnhof, Menschen, die sich des Lebens erfreuen, die sich lässig auf einer Bank fläzen – alles das ist wunderbar sinnlich, fried­lich und unhero­isch. Die Deutsch­na­tio­nalen stießen sich nament­lich daran, dass die Impressio­nisten unterm freien Himmel saßen beim Malen und ihre Modelle im Gras drapierten. Ein anstän­diger Künstler hatte im Studio zu stehen und Götter, Kaiser, Generäle oder heroi­sche Soldaten in steifer Gestik auf Podeste zu stellen. Wilhelms Verdikt wirkt bis heute nach: In ganz Deutsch­land gibt es genau vier Straßen, die nach Monet benannt sind, in vier wenig bekannten Orten. Höchste Zeit für eine fünfte: die Claude-Monet-Allee in Nörve­nich!

Die Rede wurde auch auf friedens​ko​ope​ra​tive​.de veröf­fent­licht.

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

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