“Auf den Rausch folgt der Kater, auf die Sünde die Kasteiung.” “Bei knapper Kasse wird gespart.” “Staaten, die über die Stränge gehauen haben, müssen eisern sparen.” «Wir können Wohlstand nicht durch Verschwendung herstellen.» «Ohne Schmerzen wird niemand gesund.» Mit Basta-Dogmen wie diesen rechtfertigen Wolfgang Schäuble und andere die Rosskur, die sie Griechenland aufzwingen wollen. Constantin Seibt erinnerte am 2.7.2015 im Tages-Anzeiger (Zürich) daran, dass so schon Herbert Hoover und Heinrich Brüning in den 1930er Jahren ihre Katastrophenpolitik gerechtfertigt haben. Austerität ist, so Seibt, die gefährlichste Idee Europas.
Seibts Analyse ist der klarste und erhellendste Artikel über die Finanz- und Eurokrise, den ich bislang gelesen habe. Wunderbar schon der Einstieg: «Nichts ist gefährlicher als eine Idee, wenn man nur eine hat», schrieb der französische Philosoph Alain. Diese äußerst gefährliche Idee ist heute die Idee der Austerität, also die Idee, erst müssten alle staatlichen Strukturen zerschlagen, alle sozialen Rechte der Bürger in den Dreck getreten und Millionen von Menschen in Armut und Elend versunken sein, ehe ein überschuldetes Land auf Aufschwung und Wiederaufbau hoffen könne. Diese Idee war damals mit einer verdrehten Moral aufgeladen, und sie ist es heute wieder: der Moral, dass bei der Rosskur diejenigen untergingen, die den Untergang wegen ihrer Sünden verdient hätten.
Mehr über die griechische Wirtschaft? Michael Bernegger analysierte im Juni 2015 die Tragödie der griechischen Wirtschaft seit 2008. Seine überraschenden Ergebnisse: Die griechische Handelsbilanz war bis 2008 dank Handelsschifffahrt und Tourismus in Wirklichkeit sehr positiv, wurde aber offiziellerseits falsch gemessen. Die Handelsschifffahrt rutschte durch den Einbruch der Weltwirtschaft 2008 und die fast gleichzeitige Explosion der Ölpreise in einen deflationären Schock.
Die Zeit wird zeigen, ob sich Griechenland tatsächlich an die Sparpläne halten kann. Ich jedenfalls bin sehr gespannt auf die weitere Entwicklung.