Randalierer sind Kämpfer? Randalierer sind eine Plage der Menschheit.

Was sind das für Leute, die sich “Autonome” oder “Anarchisten” oder “Antika­pi­ta­listen” nennen und Bahnstre­cken zerstören, Super­märkte, Friseur­läden und belie­bige Autos in einem Hamburger Kiez zerstören? Der Kommen­tator “Lou” im links­ra­di­kalen Magazin Indymedia findet erstaun­lich diffe­ren­zierte Worte darüber. Mir selber fällt da eher Polemi­sches ein. 

Lou sagt: “Es ist nicht richtig, Autos anzuzünden und Geschäfte zu plündern – egal in welchem Viertel!” “Nicht richtig” ist ziemlich schwach formu­liert, aber immerhin, es ist eine deutliche Kritik. Ein anderer Satz zeigt sogar eine inter­es­sante sozial­psy­cho­lo­gi­sche Einsicht: “Es ist nicht richtig, aber für mich mehr als verständ­lich, dass einige noch wütender sind und G20 zum Anlass nehmen, ihre Wut auch an denen auszu­lassen, die indirekt dieses System unter­stützen (so wie alle, die hier leben, “die Autonomen” einge­schlossen).”  An anderer Stelle spricht er aller­dings irrefüh­rend von “Menschen mit Visionen, die Sachbe­schä­di­gung als legiti­miertes Mittel erach­teten, um Aufmerk­sam­keit zu errei­chen und um ihre Position zu unserem derzei­tigen System mehr als deutlich zu zeigen”.

Ja, Lou hat etwas Wichiges erkannt: Die Täter lassen ihre Wut an uns aus, an dir und mir: an jedem, der in Deutsch­land Bahn fahren will oder ein Auto hat, an jedem, der hier arbeitet, Geld verdient, eine Wohnung hat, Klopa­pier einkaufen oder sich die Haare schneiden lassen will. Wir alle, die wir solche Dinge tun, sind, so glauben diese Leute, schuld am Kapita­lismus. Dass sie selber das alles auch tun, zumin­dest meistens, scheinen sie entweder gut verdrängen zu können; oder ihre Wut ist vor allem die Wut, die sie auf sich selbst haben, weil sie das Pech haben, auf dieser Welt zu sein. Dass ihre Zerstö­rungs­orgie den Absatz der Glas- und der Autoin­dus­trie ankur­belt, weil Kaputtes ersetzt wird, kommt hinzu. Visionen wollen die haben? Das sind wohl eher puber­täre Alpträume und Allmachts­phan­ta­sien.

Mich erinnert dieses Verhalten sehr an jene halbstarken Krach­schläger, die an lauen Sommer­abenden mit angebohrten Auspüffen durch die Stadt rasen, um möglichst vielen Menschen möglichst heftig auf die Nerven zu gehen. Oder die im Extrem­fall illegale Autorennen veran­stalten und dabei gelegent­lich jemanden tot fahren. Alles das sind Plagen der Mensch­heit. Genau wie Trump oder Erdogan. Sie wissen gar nicht, wie ähnlich sie dem G‑Man 20.1 sind. Könnte da mal jemand ein paar Ohrfeigen verteilen?

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Chris­toph Bautz und Felix Kolb analy­sieren die Lage auf campact​.org. Ihre Kritik an den dummen Randa­lie­rern und an der ähnlich dummen Polizei­füh­rung teile ich. Ebenso ihre scharfe Kritik an dem Versuch, in Hamburg eine demokra­tie­freie Zone durch­zu­setzen. Was mir hier fehlt, ist das Thema Kapita­lismus. Stimmt es, wenn Thomas Assheuer in der „Zeit“ (6.7.) schreibt: Die Linke spaltet sich in Apoka­lyp­tiker, die den Kapita­lismus unter­gehen sehen wollen, und Refor­misten, die ihn moder­ni­sieren wollen? Ich finde mich in dieser Skizze nicht wieder. Ich will weder die Apoka­lypse noch einen modernen Kapita­lismus. Ich will, dass wir den Kapita­lismus substan­ziell überwinden – aber ohne Krieg, ohne Katastrophe, ohne Todes­opfer.

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Welchen Sinn die Randale in Hamburg hatte

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

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