Wenn die Freundin sich den Coronaleugnern anschließt

Seit Ende April 2020 decken mich Bekannte, auch Freun­dinnen, regel­mäßig mit den weiter­ge­lei­teten Meinungen angeb­li­cher Freiheits­kämpfer ein, die in der Corona-Pandemie eine lügne­ri­sche Verschwö­rung von aktuellen oder zukünf­tigen Dikta­toren wittern. Anfangs machte ich mir die Mühe, diese Meinungen zur Kenntnis zu nehmen und ihnen Stück für Stück zu wider­spre­chen. Dann merkte ich: Das ist uferlos und bringt mich von meinen eigenen Themen ab. Was also tun?

Ich teilte meinen Freun­dinnen und Bekannten mit:
Weiter­ge­lei­tete Meinungen von Dritten ignoriere ich. Ich habe mir selbst die Mühe gemacht, eigene Gedanken über die Seuche zu entwi­ckeln. Wenn du mit mir über das Thema reden willst, musst du dir ebenfalls die Mühe machen, deine Erkennt­nisse und Gedanken in eigene Worte zu kleiden und mir persön­lich mitzu­teilen. Dann ist das Verhältnis symme­trisch und wir können effektiv über die kontro­versen Fragen streiten.

Nur eine der Bekannten hat das wirklich getan, und das gab dann auch eine inter­es­sante Diskus­sion. Sie hat, so will ich glauben, später selber gemerkt, wie hanebü­chen manche Thesen aus dieser Richtung sind. Wenn man sie selber nachfor­mu­lieren muss, kriegt man das viel besser mit als wenn man einfach einen Link weiter­leitet, um Zweifler zu bekehren. Das Prinzip dürfte auch auf andere Gerüch­te­kü­chen anwendbar sein. Es schützt mich davor, über jedes Stöck­chen zu springen, das mir irgendein geifernder Demagoge vorhält. Und als Mensch, der gerne kontro­vers disku­tiert, muss ich mich davor schützen, weil ich sonst die Autonomie über meine Themen verlieren würde.

Als Prinzip der Debat­ten­kultur verall­ge­mei­nert, hat ein solches Prinzip den Vorteil, dass es die Verbrei­tung wilder Gerüchte deutlich verlang­samt und die Resilienz von politi­schen Debatten verbes­sert. Man kann besser bei einem Thema bleiben, dessen Bedeu­tung bereits von vielen Mitdebattierer*n anerkannt wurde.

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

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