Wer ist schuld am Billigfleisch?

Der Lemgoer Umwelt­schützer Willi Henne­brüder antwor­tete im Februar 2019 in einem Inter­view zum Tierwohl-Label auf die Frage: Dies würde aber den Preis für Fleisch erheb­lich erhöhen?
„Da sind wir beim entschei­denden Punkt. So lange Verbrau­cher Fleisch für sich selbst, aber auch für die lieben Hunde und Katzen möglichst billig einkaufen wollen, sind die Tierhalter als schwächstes Glied in der Kette gezwungen, sich dem Preis­kampf zu stellen. Ein Tierwohl­label wird an dieser Situa­tion kaum etwas ändern.“
Das ist die falsche Front­stel­lung, meines Erach­tens. Es ist unlogisch, den Verbrau­chern vorzu­werfen, dass sie auf niedrige Preise achten, und allen anderen Wirtschafts­ak­teuren nicht. Die Tierhalter achten auf niedrige Futter­mit­tel­preise, die Einzel­händler achten auf niedrige Einkaufs­preise und niedrige Mieten, die Hausbe­sitzer achten auf niedrige Baukosten usw. Das ist das normale Markt­ver­halten. Warum verteu­feln wir es, sobald es um Verbrau­cher geht, die Fleisch kaufen? Wenn sie Autos kaufen, achten viele leider nicht auf niedrige Preise – das ist das eigent­lich seltsame Phänomen, das wir kriti­sieren sollten, und nicht das umgekehrte Verhalten.

So lange es Billig­fleisch auf dem Markt gibt, wird es Verbrau­cher geben, die es kaufen. Das ist nicht zu ändern, weil die Suche nach Billig­an­ge­boten, wie gesagt, das normale Verhalten aller Markt­teil­nehmer ist. Niemand gibt gern mehr Geld aus, als in seinen Augen unbedingt sein muss. Und wir können nicht erwarten, dass Tierschutz und Klima­schutz allen Menschen so wichtig sind, dass sie dafür eigens Geld ausgeben. Deshalb ist das Problem nur dadurch zu lösen, dass Billig­fleisch aus dem Markt genommen wird. Sobald es weg ist, werden »die Verbrau­cher« notge­drungen das teurere Fleisch kaufen und das Geld, das sie dafür brauchen, an anderer Stelle einsparen; hoffent­lich beim Auto.

Wie können wir Billig­fleisch vom Markt nehmen? Indem wir es praktisch gesetz­lich verbieten lassen – durch schär­fere Tierschutz­ge­setze und ‑verord­nungen. Hier ist also der Gesetz­geber gefragt, der demokra­ti­sche Staat. Der kann zwar nicht wirklich billiges Fleisch verbieten, aber er kann jene tierquä­le­ri­schen und klima­schäd­li­chen Praktiken in der Massen­tier­hal­tung verbieten, die in der Regel nötig sind, um Fleisch so billig produ­zieren zu können.

In der Logik der Dogmen­kritik gespro­chen handelt es sich bei der Schuld­zu­wei­sung an die bösen oder ignoranten Verbrau­cher um ein Dünkel­dogma, mit dem eine Elite von Fleisch­ver­äch­tern versucht, sich moralisch von der Plebs der Hambur­ger­m­ampfer abzusetzen. Wenn regie­rende Politiker und Fleisch­lob­by­isten es benutzen, um Verant­wor­tung von sich selbst auf eine anonyme Masse abzuwälzen, wird es zum Basta-Dogma, das ein Herrschafts­ver­hältnis zemen­tieren will.

Jens Jürgen Korff

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

Ein Gedanke zu „Wer ist schuld am Billigfleisch?“

  1. Dem Beitrag stimme ich voll zu!!!

    Warum hat z. B. Tönnies in Dänemark Firmen und die Arbeiter dort haben einen Stunden­lohn von über 27,00 €-
    Gibt auch dort keine Werks­ver­träge wie in Deutsch­land
    und der Mindest­lohn in Dänemark beträg über 27,00 €
    Man fragt sich wie teuer ist dort das Fleisch, die Wurst.

    Dort war aber kein Erzengel Gabriel Wirtschafts­mi­nister und dann Berater für Tönnies.….….…..

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