Geht es auch ohne Kapitalismus?

Der Journa­list Markus Reiter hat in einem inter­es­santen Essay im “Publik-Forum” vom 24.2.2017 argumen­tiert, dass die Mensch­heit ohne Kapita­lismus nicht leben könne: Nur der Kapita­lismus könne die den Menschen angebo­rene Gier in produk­tive Bahnen lenken. Ich wider­spreche: Der Kapita­lismus war nicht immer schon da. Er ist eine Phase, in der der Mensch weit unter seinen Möglich­keiten bleibt.

Seine These, dass Gier und Kapita­lismus dem Menschen angeboren seien, wider­legt Markus Reiter am Anfang seines Artikels selbst: Dem Kapita­lismus gingen zwei andere Wirtschafts­formen voraus, die Sklaven­hal­ter­ge­sell­schaft und der Feuda­lismus (vergessen hat er übrigens die dem noch voraus­ge­henden Urgesell­schaften). Beide beruhten nicht auf dem Prinzip der Gier und des perma­nenten Wachs­tums, der perma­nenten Konkur­renz, das den Kapita­lismus auszeichnet. Die Mensch­heit hat also jahrtau­sen­de­lang ohne Kapita­lismus gelebt und so gezeigt, dass sie das kann. Der Kapita­lismus ist demnach eine Phase in der Geschichte der Mensch­heit; und zwar eine, in der der Mensch leider weit unter seinen Möglich­keiten bleibt. Wie viel weiter wären wir mit der Lösung zahlrei­cher Mensch­heits­pro­bleme wie Armut, Kriege, Umwelt­zer­stö­rung, wenn wir, und vor allem die Menschen in Führungs­po­si­tionen, zualler­erst koope­rieren würden, statt zu konkur­rieren?

Wir können auch anders: kooperieren statt konkurrieren

Anderer­seits zeigen wir jeden Tag, in jeder Familie, in jedem Unter­nehmen, in jedem Verein, dass wir, vor allem wir Dienst­leister, produktiv koope­rieren können. Mögli­cher­weise ist das eine Tugend, die die Menschen an der Basis den Menschen in Führungs­po­si­tionen voraus haben. Das wäre ein weiterer Hinweis darauf, dass ausge­prägte Gier und dominie­rendes Konkur­renz­ver­halten Charak­ter­züge einzelner und nicht aller Menschen sind; Charak­ter­züge, die in kapita­lis­ti­schen Gesell­schaften mit Führungs­po­si­tionen belohnt und heran­ge­züchtet werden.

Einen weiteren Hinweis darauf, dass kapita­lis­ti­sche Konkur­renz nicht unsere Bestim­mung ist, liefern die Psycho­the­ra­peuten und Lebens­kunst­be­ra­te­rinnen, die fast unisono betonen: Wer sich mit anderen vergleicht, wird unglück­lich. Hier zum Beispiel meine Freundin Maria Ast. Und nö: Unglück kann nicht unsere Bestim­mung sein. Das steht sogar in der ameri­ka­ni­schen Verfas­sung;-)

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

Ein Gedanke zu „Geht es auch ohne Kapitalismus?“

  1. re. Urgesell­schaften
    siehe Yuval Noah Harari: Eine kurze Geschichte der Mensch­heit.
    Pantheon Verlag (Verlags­gruppe Random House GmbH) Mün­chen 2015
    Die mensch­li­chen Urgesell­schaften dauerten ziemlich lange im Vergleich zur moderen Zivili­sa­tion. Noch VOR der “Revolu­tion” durch Ackerbau & Vielzucht lebten sie Jahrtau­sende in einer Kultur des Teilens (erfreu­li­cher­weise ist das genetisch in uns noch erhalten). Gier und dominie­rendes Konkur­renz­ver­halten wurden in der Gruppe sanktio­niert.

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