Ist Politik ein schmutziges Geschäft?

Dilma Rousseff. Foto: Roberto Stuckert Filho/Presidência da República
Dilma Rousseff. Foto: Roberto Stuckert Filho/​Presidência da Repúb­lica

In meiner Kritik am Dünkel­dogma von der Politik als schmut­zigem Geschäft habe ich darauf hinge­wiesen, dass in der Geschichte viele Kampa­gnen gegen angeb­lich korrupte Politiker von konser­va­tiven oder faschis­ti­schen Gegnern der Demokratie ausge­gangen sind. Ein weiteres aktuelles Beispiel erleben wir gerade in Brasi­lien – und wieder ist eine Frau das Ziel der Kampagne.

Im Buch nannte ich das Beispiel Thailand, wo die von einer ländli­chen Reform­partei demokra­tisch gewählte Premier­mi­nis­terin Yingluck Shina­watra 2014 von konser­va­tiven Vertre­tern der herrschenden Familien per Anti-Korrup­tions-Kampagne gestürzt wurde. Die verstanden unter Korrup­tion, dass Yingluck ihren Wähle­rinnen und Wählern, armen Bauern­fa­mi­lien auf dem Lande, eine Verbes­se­rung ihrer Lebens­be­din­gungen mit staat­li­cher Hilfe verspro­chen hatte. Ganz ähnlich läuft derzeit die Kampagne gegen Präsi­dentin Dilma Rousseff in Brasi­lien. Wieder kleiden sich ihre Gegner mit gelben Hemden, und wieder bezeichnen sie es als korrupt, dass Rousseff sich für die ökono­mi­schen Inter­essen ärmerer Bevöl­ke­rungs­gruppen (also ihrer Wähler) einsetzt und versucht, ihre Wahlver­spre­chen zu verwirk­li­chen. Würde sie ihre Wahlver­spre­chen brechen, wie es Politiker in Oligar­chien seit Jahrhun­derten tun, wäre alles in Ordnung – dann wäre sie nicht korrupt.  Das ist offenbar die Logik der Gelbhemden.

Zwei weitere Aspekte sind auffällig:

  1. Anti-Korrup­tions-Kampa­gnen richten sich auffällig häufig gegen Frauen – vielleicht, weil sich die Gegner ausrechnen, dass Frauen die nervliche Belas­tung schlechter aushalten und deshalb schneller zurück­treten. In Deutsch­land waren zum Beispiel Monika Griefahn (1995) und Heide Simonis (2008) von solchen Kampa­gnen betroffen.
  2. In Thailand wie Brasi­lien starteten die Kampa­gnen, kurz nachdem die Zielper­sonen gerade demokra­ti­sche Wahlen gewonnen hatten. Die Kampa­gnen sind ein Teilaspekt einer allge­meinen antide­mo­kra­ti­schen Tendenz, Wahler­geb­nisse nicht mehr zu respek­tieren.

Hinter­grund­be­richte über Brasi­lien bei

Veröffentlicht von

Jens J. Korff

Historiker, Politologe, Texter, Rheinländer in Westfalen, Sänger, Radfahrer, Wanderer, Naturbursche, Baumfreund, Pazifist

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.