Fünf Thesen zu #Thüringen

Das hysterische Geschrei um die Ereignisse in Thüringen überschritt im Februar 2020 sämtliche Lärmschutz-Grenzwerte. Geht das Ganze auch eine Nummer bedächtiger? Ich versuch’s mal mit fünf Klarstellungen, die mir wichtig erscheinen.

  1. Kemmerich ist kein Faschist, sondern ein Liberaler. Seine Wahl ist keine Machtergreifung. Er trachtet niemandem nach dem Leben.
  2. Höcke ist zwar ein Faschist, aber die AfD als Ganzes ist keine faschistische Partei, sondern eine nationalkonservative.
  3. Nationalkonservativ zu sein wie die AfD ist schlimm genug. Alle Nazivergleiche sind falsch, weil sie die Naziverbrechen verharmlosen. Die AfD ist vielmehr mit der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) zu vergleichen.
  4. Der Landtag wurde so gewählt, wie er ist. Das haben wir als Demokraten zu respektieren. Die Wähler haben gesprochen.
  5. Eine Auflösung des Landtags wäre eine Dummheit, weil bei Neuwahlen die AfD wahrscheinlich noch stärker wird. Das bitte aus Weimar lernen!
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Die Widersprüche der Digitalisierungskritiker

Walter van Rossum moderierte im Herbst 2019 eine Sendung der WDR-Reihe »Gutenbergs Welt« über »digitale Ideale«. Schon gleich am Anfang behauptete er, dass es „früher“ noch einen Glauben an den Fortschritt gegeben habe, „heute aber“, wenn es ums Digitale gehe, nur Leerformeln gedroschen würden vom Anschluss, den wir nicht verlieren dürften usw. Offenbar konnte er sich keine utopischen Ziele vorstellen, die mit digitalen Techniken gelöst werden könnten. „Die Wonnen des sich selbst befüllenden Kühlschranks oder die Verheißungen des autonomen Fahrens reißen zwar niemanden vom Hocker, werden aber als Bedingungen unseres Überlebens verkauft.“ Massive Probleme der Digitalisierung würden verschwiegen. Nämlich dass bis zu 50 % der Arbeitsplätze wegrationalisiert werden könnten.

Hmm – haben „früher“ nicht Marxisten stets gejubelt, wenn uns der Fortschritt der Produktivkräfte von der Last sehr vieler Arbeit befreit hat? Bieten diese 50 % nicht die Chance, die Arbeitszeit für alle zu halbieren?

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War Macrons Vorstoß zum Regenwald kolonialistisch? Nein, wenn…

…ähnliche Vorstöße auch umgekehrt möglich sind, von Lateinamerika nach Europa. Emmanuel Macron hatte zum brennenden brasilianischen Regenwald spontan gesagt: „Unser Haus brennt!“ Er hat als französischer Staatspräsident ein Wir benutzt, das die ganze Menschheit umfasst; ein Appell, den wir sonst vor allem von internationalen Umwelt­organisationen kennen. Sein brasilianischer Widersacher Jair Bolsonaro empörte sich wie einst Erich Honecker über eine „Einmischung in innere Angelegen­heiten Brasiliens“. Vielleicht zurecht?

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Der umgedrehte Hobbes: Jäger und Sammler waren nicht kriegerisch, sondern solidarisch

Der immer noch häufig zitierte britische Philosoph Thomas Hobbes behauptete 1651 in seinem staatstheorethischen Werk »Leviathan«, die Menschen im Naturzustand hätten einen Krieg aller gegen alle (bellum omnium contra omnes) geführt. Diese These warf eigentlich immer schon die Frage auf, wie die Menschheit diesen lebensgefährlichen Zustand über Zehntausende von Jahren hinweg überlebt haben soll. Dass an Hobbes‘ Theorie und Basta-Dogma nichts dran ist, zeigen neuere Erkenntnisse von Anthropologen und Genetikern, die Carel van Schaik und Kai Michel 2016 zusammentrugen.

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Zwölf Ideen für die Revolution 2019, Baujahr 1919

Im Februar 2019 habe ich, um des hundertsten Jubiläums der deutschen Novemberrevolution zu gedenken, in Bielefeld eine Lesung von Texten damaliger Revolutionärinnen und Revolutionäre veranstaltet. Im Anhang meines Textbuches habe ich versucht, Ideen dieser Menschen auf die heutige Zeit anzuwenden. Herausgekommen sind zwölf Betrachtungen:

  1. Exportweltmeister? Kein Grund, stolz zu sein (nach Kurt Tucholsky)
  2. Arbeiten oder Schuften? (nach Kurt Tucholsky)
  3. Arbeitslose, aufgepasst! (nach Ret Marut al. B. Traven)
  4. Aufrüstung als epileptischer Anfall (nach Hugo Haase)
  5. Gewalt kann nichts Heiliges schaffen (nach Ernst Toller)
  6. Zahlen sind oft ziemlich dumm (nach Alfons Goldschmidt)
  7. Empathie kommt aus der Distanz heraus (nach Gustav Landauer)
  8. Warum der NC eine saublöde Idee ist (nach Kurt Eisner)
  9. Macht ohne Geist ist hohl (nach Klabund)
  10. Revolution ist Schwesternsache (nach Rosa Luxemburg)
  11. Politik ist Kunst, und Kunst ist Radau (nach Kurt Eisner und Richard Huelsenbeck)
  12. Lebenskunst für Regimekritikerinnen (nach Rosa Luxemburg, Erich Mühsam, Hannah Arendt)
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Afrikanerinnen bedrohen das christliche Abendland?

Josephine Baker 1949. Foto von Carl van Vechten, aus Wikimedia

Nein. Nationalisten bedrohen die christliche Botschaft.

Der thüringische Kriegshetzer Björn Höcke führte 2015 die Flüchtlingskrise auf den „Bevölke-rungsüberschuss Afrikas“ zurück. Der „lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp“ treffe in Europa auf den „selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp“. Können Migrant*en die Mehrheit in Deutschland übernehmen? Nein, diese Vorstellung geht an historischen Abläufen völlig vorbei. Afrikanerinnen bedrohen das christliche Abendland? weiterlesen

Warum Pazifisten stets versagen und Generäle stets siegen

Pazifisten müssen sich seit jeher mit dem Dogma ihrer Gegner herumschlagen: „Wie sinnlos Pazifismus ist, siehst du daran, dass es immer noch jede Menge Krieg gibt. Die Welt ist nun einmal ein Kampfplatz, und der Mensch ist des Menschen Wolf.“ Schauen wir uns hier den ersten Teil des Dogmas an: Bedeutet die Fortexistenz von Kriegen tatsächlich, dass die Pazifisten versagt haben? Vor allem unter dem Aspekt, wenn wir Erfolg und Versagen von Pazifisten (und ihre öffentliche Wahrnehmung) mit Erfolg und Versagen von Generälen vergleichen. Warum Pazifisten stets versagen und Generäle stets siegen weiterlesen

Operation Ibn Sina: der Ruhm des Islam

Martin Chulov, Nahost-Korrespondent des »Guardian«, berichtete im September 2016 über den mutmaßlichen Niedergang des IS-Djihadismus in Syrien (dt. im Freitag, 15.9.2016). Dort schreibt er, vor allem die terroristische Bedrohung des Westens werde anhalten, denn »die Kämpfer werden mit der Behauptung gelockt, ihre Generation habe das Privileg, … den verloren gegangenen Ruhm des Islam wiederherzustellen«. Es ist also an der Zeit, ihnen diese Aufgabe streitig zu machen. Dafür brauchen wir Ibn Sina, Ibn Rušd und al-Andalus. Operation Ibn Sina: der Ruhm des Islam weiterlesen

Irgendwie stimmt’s doch: Der Mensch ist des Menschen Wolf

In meinem dogmenkritischen Buch habe ich das alte Dogma »Homo homini lupus« des britischen Philosophen Thomas Hobbes kritisiert: Denn Hobbes hat offensichtlich innerartliche Aggression (Mensch tötet Mensch) mit zwischenartlichem Jagdverhalten (Wolf tötet Mensch, Mensch tötet Hasen) verwechselt.1 Der usamische Karikaturist Chris Browne hat Hobbes nun jedoch bestätigt – wenn auch ganz anders als Hobbes und seine Nachfolger es verstanden wissen wollten.

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„Der Krieg gegen den Terror ist ein gerechter Krieg.“ Wirklich?

Die furchtbaren Mordtaten von Paris beschwören den „Krieg gegen den Terror“ wieder herauf, und erfahrungsgemäß wird dieser bald als „gerechter Krieg“ geheiligt werden. Auch die Kriege gegen Hitler, gegen Milosevic, gegen Saddam Hussein, gegen die Taliban und gegen Gaddafi waren ja „gerechte Kriege“. Als Pazifist bestreite ich das und sage: Menschen zu töten ist vielleicht im Einzelfall gerechtfertigt, aber es kann niemals gerecht sein. „Der Krieg gegen den Terror ist ein gerechter Krieg.“ Wirklich? weiterlesen