Der Unfug vom binären Denken

Im WDR-Funkhaus­ge­spräch stritten am 12. November 2020 der Polito­loge Karl-Rudolf Korte, die Jungso­zia­listin Jessica Rosen­thal und die Klima­ak­ti­vistin Ronja Weil über die »Krise der Parteien« und die Frage, ob eine »Demokratie von unten« an ihre Stelle treten kann. Korte sagte in der Debatte einige kluge Dinge, aber als es darum ging, warum manche Konflikte zwischen verschie­denen Gruppen, etwa zwischen Coronabe­sorgten und Coronai­gno­ranten, oft eska­lieren, glitt er in ein Dünkel­dogma ab: Er führte solche Eskala­tionen auf die »binäre Logik« der Computer und das damit einher­ge­hende »binäre Denken« der Inter­net­be­nutzer zurück.

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Eine Herrschaft der Dummen gibt es nicht

Seit dem späten 19. Jahrhun­dert warnen Sozial­dar­wi­nisten in Deutsch­land vor einer zuneh­menden Verdum­mung der Menschen und einer Macht­über­nahme der Dummen. Grund sei die höhere Vermeh­rungs­rate der Dummen und die niedri­gere der Intel­li­genten. In der Regel paarte sich diese kultur­pes­si­mis­ti­sche Klage mit der Klage über die Demokratie: Die Demokratie führe zu einer Herrschaft der Dummen (Ochlok­ratie) und gefährde deshalb den Fortbe­stand der Kultur. Sie müsse durch eine Oligar­chie (Herrschaft der Wenigen) oder Aristo­kratie (Herrschaft der Besten) ersetzt werden, sagt dieje­nige politi­sche Strömung, die um 1800 aus der Recht­fer­ti­gung der Vorrechte des Adels entstanden ist. Diese beiden Theorien sind durch den Verlauf der Geschichte der letzten 150 Jahre hinrei­chend wider­legt, um als falsch gelten zu können.

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Jesus und Judas – wer hat wen verraten?

Am Karfreitag starb nicht nur Jesus von Nazaret am Kreuz, sondern auch Judas Iskariot am Baum. Da Jesus ihn als Verräter und Teufel beschimpft (Johannes 6, 70) und dem Verräter den Unter­gang prophe­zeit hat (Lukas 22, 22), haben wir uns angewöhnt, diese Sicht­weise zu übernehmen und den Stricktod des Judas als gerechte Strafe zu bewerten. Die Verrä­ter­figur Judas wurde zum Bestand­teil des christ­lich motivierten Antise­mi­tismus, des Hasses auf die Juden als »Gottes­mörder« und Lumpen. Mein Lieblings-Evange­list Tim Rice übernahm diese Vorur­teile nicht und ließ 1970 in der Rockoper »Jesus Christ Super­star« Judas ausführ­lich selber zu Wort kommen.

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„Die Zielscheibe ist eindeutig faschistisch“

Ein Diskurs über Hopp, Hoffenheim und die Dortmunder Ultras

BALLO: Was hältst du von der Aufre­gung im Fußball­zirkus wegen der Belei­di­gung des Milli­ar­därs Dietmar Hopp? Ist das nicht arg übertrieben, was Rumme­nigge und andere da jetzt veran­stalten?

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Zwölf Ideen für die Revolution 2019, Baujahr 1919

Im Februar 2019 habe ich, um des hundertsten Jubiläums der deutschen Novem­ber­re­vo­lu­tion zu gedenken, in Biele­feld eine Lesung von Texten damaliger Revolu­tio­nä­rinnen und Revolu­tio­näre veran­staltet. Im Anhang meines Textbu­ches habe ich versucht, Ideen dieser Menschen auf die heutige Zeit anzuwenden. Heraus­ge­kommen sind zwölf Betrach­tungen:

  1. Export­welt­meister? Kein Grund, stolz zu sein (nach Kurt Tucholsky)
  2. Arbeiten oder Schuften? (nach Kurt Tucholsky)
  3. Arbeits­lose, aufge­passt! (nach Ret Marut al. B. Traven)
  4. Aufrüs­tung als epilep­ti­scher Anfall (nach Hugo Haase)
  5. Gewalt kann nichts Heiliges schaffen (nach Ernst Toller)
  6. Zahlen sind oft ziemlich dumm (nach Alfons Goldschmidt)
  7. Empathie kommt aus der Distanz heraus (nach Gustav Landauer)
  8. Warum der NC eine saublöde Idee ist (nach Kurt Eisner)
  9. Macht ohne Geist ist hohl (nach Klabund)
  10. Revolu­tion ist Schwes­tern­sache (nach Rosa Luxem­burg)
  11. Politik ist Kunst, und Kunst ist Radau (nach Kurt Eisner und Richard Huelsen­beck)
  12. Lebens­kunst für Regime­kri­ti­ke­rinnen (nach Rosa Luxem­burg, Erich Mühsam, Hannah Arendt)
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Das Ende ist nah. Und wehe, wenn nicht!

Im August 2017 veröf­fent­lichte die Bertels­mann-Stiftung ihre Religi­ons­mo­nitor-Studie. Dort kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass sich die meisten Muslime in Deutsch­land nach einigen Jahren, oder wenn sie hier geboren wurden, ziemlich gut ins deutsche Bildungs­system und ins deutsche Berufs­leben integrieren. Die Meldungen darüber lösten, wie Said Rezek in der taz am 30.1.2018 rekapi­tu­lierte, keine Erleich­te­rung, sondern eine Empörungs- und Hasswelle aus. „Lügen­wissenschaft!“ schrien die Deutsch­nationalen allent­halben und griffen auf Goebbels‘ alte Geheim­waffe zurück, das gefälschte Churchill-Zitat: „Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!“ Das christ­liche Abend­land geht unter, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche! Was ist da los? Das Ende ist nah. Und wehe, wenn nicht! weiter­lesen

Afrikanerinnen bedrohen das christliche Abendland?

Josephine Baker 1949. Foto von Carl van Vechten, aus Wikimedia

Nein. Natio­na­listen bedrohen die christ­liche Botschaft.

Der thürin­gi­sche Kriegs­hetzer Björn Höcke führte 2015 die Flücht­lings­krise auf den „Bevöl­ke­rungs­über­schuss Afrikas“ zurück. Der „lebens­be­ja­hende afrika­ni­sche Ausbrei­tungstyp“ treffe in Europa auf den „selbst­ver­nei­nenden europäi­schen Platz­hal­tertyp“. Können Migrant*en die Mehrheit in Deutsch­land übernehmen? Nein, diese Vorstel­lung geht an histo­ri­schen Abläufen völlig vorbei. Afrika­ne­rinnen bedrohen das christ­liche Abend­land? weiter­lesen

Wie Heino und Rammstein, Sonnen und Boxer zusammenpassen

Beim schwarz-rot-feurigen Kombi-Auftritt in Wacken fand 2013 zusammen, was zusam­men­ge­hört. Ein zeitge­nös­si­scher Gastbei­trag von Toni Kalver­benden (tonikal), passend zum Silves­ter­feu­er­werk.
Zunächst konnte man über die geniale Idee des meist­par­odierten deutschen Barden und die belei­digten Reaktionen schmun­zeln: Enzian-Heino, die 75jährige Sonnen­brille der Nation, hatte sich erlaubt, in seinem Album »Mit freund­li­chen Grüßen« zurück­zu­schlagen und Stücke der Rock- und Hip-Hop-Bands »Die Ärzte«, »Rammstein« und »Die Fantas­ti­schen Vier« zu covern. Daraus wurde im August 2013 ein gemein­samer Auftritt von Heino und Rammstein auf dem Metal-Rock-Festival in Wacken (Schleswig-Holstein). Zeit, sich genauer anzuhören, was die Herren da eigent­lich gesungen haben: eine merkwür­dige Mischung aus Boxrhythmus und Sonnen­kult. Toni Kalver­benden löst das Rätsel mit Hilfe des Philo­logen Victor Klemperer. Dabei kann Friedens­freunden das Lachen vergehen.

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„Die Pyramiden von Gizeh haben Außerirdische gebaut.“

Der Schweizer Hotelier und Religi­ons­stifter Erich von Däniken machte sich in den 1960er Jahren, als Raumfahrt und UFOs ein großes Thema waren, bekannt mit der steilen These, dass die Pyramiden von Gizeh, die Geogly­phen von Nazca und andere große Bauwerke der Frühge­schichte oder frühen Antike nur mit Hilfe hoch techni­sierter Außer­ir­di­scher hätten gebaut werden können. Die Menschen wären, so Däniken, mit ihren damaligen techni­schen Mitteln zu solchen Bauten gar nicht fähig gewesen. Diese Theorie sei hier nur als Beispiel für allerlei abstruse Gedan­ken­ge­bäude genannt, die Menschen im Lauf der Jahrhun­derte bereits ersonnen haben. Der Infor­ma­tiker Jürgen Beetz ist ein ganz beson­derer „Freund“ solcher Dogmen und hat eine Erwide­rung zu bieten: Rudis Teekanne. „Die Pyramiden von Gizeh haben Außer­ir­di­sche gebaut.“ weiter­lesen

„Floskeln: Wer A sagt …, sagt auch anderen Unsinn.”

Rezen­sion von Erich Kocina in Die Presse am Sonntag” (Wien) und diepresse​.com, 15.2.2015:
Tagtäg­lich werden wir mit Floskeln konfron­tiert, die schon so geläufig sind, dass wir sie kaum mehr zu hinter­fragen wagen. Genau das sollten wir aber machen. Sie haben sich so in unser Gehirn einge­brannt, dass sie einfach wahr sein müssn. Jene Redewen­dungen, Sinnsprüche und Glaubens­sätze, die wir schon so oft gehört haben. „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ zum Beispiel ruft sofort zustim­mendes Nicken hervor… „Floskeln: Wer A sagt …, sagt auch anderen Unsinn.” weiter­lesen